: Italiens Rechte wollen die ganze Macht
■ Berlusconi und Ligen-Chef Bossi auf Kompromißkurs
Rom (taz) – Erste Manöver zur Regierungsbildung in Italien: In einem zweistündigen Gespräch hat sich nach Angaben des Wahlsiegers Silvio Berlusconi (Forza Italia) der Chef der mit ihm in Oberitalien verbündeten „Ligen“, Bossi, zu zwei bisher ausgeschlagenen Zugeständnissen bereit erklärt. Berlusconi würde demnach Ministerpräsident, und die Neofaschisten dürften in die Regierung eintreten. Bossi erklärte nach dem Gespräch allerdings nur, daß man „die Frage des Föderalismus“ – die Hauptforderung der „Ligen“ – „zum Ausgangspunkt genommen“ habe, und das „sei positiv“.
Berlusconi, der den Eindruck eines entschiedenen und ganz von unternehmerischer Effizienz geprägten Vorgehens zu erwecken versuchte, ließ in einer abschließenden Presseerklärung sogar bereits Ministerlisten kursieren, die allerdings von seinen Alliierten nicht bestätigt wurden und die er offenbar noch nicht einmal mit seinen eigenen Mitarbeitern abgesprochen hatte. Immerhin zeichnete sich darin zweierlei ab: Die Neofaschisten erhalten zwar sensible Ministerien (möglicherweise das für Verteidigung), jedoch zumindest vorläufig keines, das außenpolitisch vor dem in Neapel anstehenden G-7-Gipfel Irritationen auslösen könnte.
Als Außenminister wird der relativ angesehene Militärforscher und ehemalige General Caligaris genannt. Mit von der Partie sollen offenbar aber auch Vertrauensleute der abgehalfterten früheren Nomenklatura sein: Das wegen der Vergabe von Sendelizenzen und der anstehenden Novellierung der Mediengesetze besonders wichtige Postministerium soll an eine enge Vertraute des wegen Anstiftung zum Mord vor Gericht stehenden siebenmaligen christdemokratischen Ministerpräsdenten Andreotti, Ombretta Fumagalli, gehen.
Deutlich werden aus den Erklärungen Berlusconis auch zwei weitere Tendenzen: In das Justizministerium möchte er unbedingt einen sogenannten „Garantisten“ setzen, einen Vertreter jener Spezies an sich ehrenwerter Verfechter absoluter Rechtsstaatlichkeit, von denen sich viele jedoch in den vergangenen Monaten zu eifrigen Promotoren einer Anmestie oder jedenfalls sanfteren Behandlung der zahlreichen Korruptionsfälle gemacht haben. Derzeit aussichtsreichster Kandidat ist der Liberale Biondi. Er wird nicht müde, die Staatsanwälte der Antikorruptionsaktion „Mani pulite“ (Saubere Hände) ebenso wie die Anti-Mafia-Sonderkommissionen anzugreifen. Die zweite Tendenz: Die Rechte will die ganze Macht und nicht nur die halbe. Gegen jede parlamentarische Gepflogenheit sollen die Oppositionsparteien weder prestigeträchtige Ämter, wie die des Senats- oder Kammerpräsidenten, noch Vorsitze in den wichtigsten parlamentarischen Kontrollkommissionen erhalten.
Bei den geschlagenen Parteien hat inzwischen die Aktion „lange Messer“ begonnen. Als erster erklärte Mino Martinazzoli, Chef der Volkspartei (die Mehrheitsfraktion der aufgelösten Democrazia cristiana), seinen Rücktritt. Was seinem mutmaßlichen Nachfolger Rocco Buttiglione (einem engen Vertrauten des Papstes) die Öffnung zu Berlusconi gestattet. Innerhalb der „Demokratischen Partei der Linken“, Nachfolgeorganisation der KP, wird der Ruf nach Ablösung des erfolglosen und völlig charismafreien Vorsitzenden Achille Occhetto immer lauter. Innerhalb der Anti-Mafia-Bewegung „la Rete“ steht deren Gründer und Führer Leoluca Orlando, noch vor acht Monaten triumphal zum Bürgermeister von Palermo gewählt, wegen des Scheiterns seiner Partei an der Vierprozentklausel ebenso am Pranger wie bei den Grünen Carlo Ripa di Meana, der durch Konzessionen an die Bündnispartner „Die Fortschrittlichen“ die eigene Identität und damit seine Stammkundschaft verloren hat.
Formell sollen die Gespräche über die Regierungsbildung sowie Besetzung der Ämter und Ausschüsse erst nach Ostern beginnen; die erste Sitzung von Senat und Abgeordnetenhaus ist für den 15. April anberaumt. Werner Raith
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