■ Weniger Ostermarschierer: Ratlos ferngeblieben
Die Friedensbewegung ist verunsichert. Bei dieser Feststellung ist kein Platz für Häme. Das gestrige tausendfache Engagement gegen Rüstung und gegen die Abschiebung bedrohter Menschen ist und bleibt unverzichtbar. Auch den Veranstaltern ist kein Vorwurf zu machen, an dieser traditionsreichen Veranstaltung festzuhalten. Die vor drei Jahren weithin nicht für möglich gehaltene Massenbewegung gegen den Krieg am Golf hat schließlich deutlich gemacht, daß der Friedensbewegung über Nacht wieder unerwartete Kräfte zuwachsen können. Doch seit 1991 haben sich die Fragen entscheidend verändert; ist mit der endgültigen Auflösung der Blöcke auch das Koordinatensystem der Friedensbewegung ins Trudeln gekommen. Einfache Antworten auf die Frage, wie Frieden zu erreichen und zu sichern ist, gibt es nicht mehr. Vor allem der vorher undenkbare Krieg mitten in Europa, der das ehemalige Jugoslawien verheert, hat die Pazifisten und Kriegsgegner ratlos und sprachlos gemacht. Frieden schaffen mit noch mehr Waffen ist angesichts des Völkermords in Bosnien auch für Friedensbewegte keine abwegige Forderung mehr. Und die Veränderung der politischen Gravitationszentren und das Aufkommen eines aggressiven Nationalismus in Osteuropa läßt viele Menschen neu über kollektive Sicherheitsstrukturen nachdenken, denen Sympathien für Nato-Strategen wahrlich nicht nachzusagen sind. Die schmerzhaft empfundene eigene Unsicherheit, wie realistische Antworten aussehen könnten, mag manche dazu bewegt haben, lieber zu Hause zu bleiben. Dies zu ignorieren können sich die Organisatoren nicht leisten, sollen die Teilnehmerzahlen nicht weiter erodieren. Weiterbringen wird nur, die eigenen Fragen zum Thema zu machen und den Ostermarsch zum Forum der Debatte zu machen. Gerd Nowakowski
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