: Der Alltag bricht an
Ein Fotograf, der das Leben auf der Straße abbilden will, zögert nicht. Manchmal hat jedoch auch Robert Doisneau den richtigen Augenblick verpaßt und sich als Beobachter preisgeben müssen. Dann schreckt bei einer Aufnahme von 1953 die runzelige Concierge aus dem 20. Arrondissement von ihrer Zeitungslektüre auf und blickt argwöhnisch auf den Eindringling. Die meisten Fotos des am 14. April 1912 in Gentilly geborenen Doisneau aber kann man als glückliche Momente bezeichnen: Plötzlich wirft die Kamera ihr blitzendes Licht auf ein tanzendes Paar in der Nacht oder hält einen flüchtigen Kuß zweier Liebender auf dem Trottoir fest. Seit den vierziger Jahren galt Doisneau als Chronist des französischen Kleinbürgertums, dem er jene selbstbewußte Leichtigkeit gab, die noch den Arbeiterbildern eines August Sander etwa völlig fehlte. Statt Bestandsaufnahmen einer Klasse zu fertigen, hob der Fotoreporter Doisneau auf die Beiläufigkeit ihres Alltags in den Vororten von Paris ab. 1993 stellte sich allerdings heraus, daß auch die Unschuld vor der Kamera eine geübte war: Doisneau hatte für viele seiner lebensechten Fotos mit Statisten gearbeitet. So war die Nähe zur Wirklichkeit seine eigentliche Kunst. Am Karfreitag ist Robert Doisneau im Alter von 81 Jahren gestorben. hf
Robert Doisneau: Paris, 14 Juillet, 1949. Abbildung: Photo Poche
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