: Bundespräsident soll hin- und herrennen
■ Bürgerinitiative protestiert gegen Erweiterungsflügel im Schloß Bellevue
Mehr als 750 Berliner Bürger haben sich gegen den geplanten Bau des Bundespräsidialamtes im Großen Tiergarten ausgesprochen. Die Einwendungen wurden an den vergangenen drei Sonntagen vor Ort an Informationsständen zum Bebauungsplan durch den „Moabiter Ratschlag“ gesammelt. Die Bezirksinitiative hatte dazu aufgerufen, den vorgesehenen Erweiterungsflügel südlich des Schlosses Bellevue abzulehnen, da der Bau erhebliche ökologische Folgen nach sich ziehen könnte. Durch das Gebäude und zusätzliche Autostellplätze müßten Bäume gefällt und die Erholungsfläche eingeschränkt werden, kritisierte der „Moabiter Ratschlag“.
Der Protest zum Bebauungsplan richtet sich in der Hauptsache gegen die Verkleinerung des Naturdenkmals Großer Tiergarten. „Für die Nutzer des Parks ist es schwer verständlich, daß ein weiterer Bestandteil des Tiergartens wegfallen soll“, sagte Jürgen Schwenzel von der Bürgerinitiative zur taz. Bereits im Februar war die Erholungsfläche durch den Umzug des Bundespräsidenten nach Berlin reduziert worden. Seit dem sei der Schloßgarten Bellevue für den „Normalsterblichen“ nicht mehr betretbar, so Schwenzel. Hinzu komme, daß die Flächen für ökologische Ausgleichsmaßnahmen nördlich der Spree „wegen des hohen Grünanteils nur bedingt geeignet“ seien. Die große Zahl der Einwendungen wertete Schwenzel als Unterstützung für die Vorschläge der Initiative. Der Moabiter Ratschlag hatte zwei Alternativstandorte für die Unterbringung des Bundespräsidialamtes präsentiert: Anstelle des geplanten Bauplatzes im Tiergarten sollten die Gebäude entweder auf den benachbarten Wohnbauflächen am Moabiter Werder oder auf dem „Bolle-Block“ zwischen Spree und Alt-Moabit westlich der Kirchstraße errichtet werden.
Der Sprecher des Bausenators, Ralf Schlichting, sagte, daß der Protest im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „geprüft, ausgewertet und abgewogen“ werde. Schlichting räumte allerdings ein, daß er kaum „Spielräume“ für andere Standorte sähe. Der Bundespräsident sowie der gemeinsame Ausschuß Bonn/Berlin seien der Meinung gewesen, daß der Abschnitt südlich des Schlosses Bellevue für den Neubau günstig wäre, und hätten dies in der Auslobung zum Realisierungswettbewerb Ende 1993 zum Ausdruck gebracht. Der Wettbewerb wird im Juli dieses Jahres entschieden. Den vorgeschlagenen Alternativstandorten gab Schlichting keine Chance. Den Präsidialbeamten sei nicht zuzumuten, zwischen verschiedenen Gebäuden „hin- und herzurennen“. Rolf Lautenschläger
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