: Unterm Strich
Judge bites Dogg: Ein hohes Gericht in Los Angeles befand, daß Snoop Doggy Dogg, der im bürgerlichen Leben, wo immer das hingeraten sein mag, Calvin Broadus heißt, gemeinsam mit seinen Leibwächter-Kumpels einen gewissen Philip Waldemariam erschossen hat und also Schuld und Sühne auf sich geladen hat. Drive- by-shooting, wie diese LA-Todesart gerne heißt, steht hier gegen das Plädoyer der Verteidigung auf Selbstverteidigung.
Guten alten stalinistischen Journalismus wirft Stefan Heym nach einer Pressemitteilung des Freitag dem Spiegel vor und erklärt weiter: „Man geht gegen die Opposition von heute mit den gleichen Methoden vor, wie sie früher von DDR-Medien benutzt wurden. Unvollständige Zitate, die ohne Zusammenhang mit dem Vorhergehenden und dem Nachfolgenden und mißachtend der historischen Zeitumstände [hätte man das nicht vielleicht eleganter oder vielmehr hübscher, treffender sagen können. Folgt auf Mißachtung unweigerlich ein Genetiv?] historischen Zeitumstände also, unter denen einer schreibt, und ausgerichtet nach politischen Zwecken, über die man sich ausschweigt – dabei aber triefend von Moral“. Bis dahin war ja alles noch einigermaßen verständlich, aber dann haben uns die Kollegen vom Freitag abgehängt. Was, ihr Lieben, war gemeint, als es da hieß: „Stefan Heym weist in seiner vom Spiegel abgelehnten Erwiderung nach, daß sämtliche angeführten Textstellen von ihm selbst veröffentlicht wurden, unter anderem im Spiegel selbst. Und das verstehen wir halt nicht. Wieso „Stellen“? Was war damals, was war heute? Wo sind sie hin, die Stellen?
Annie Sprinkle hat den Österreicher mit ihrem Busen-Ballett beglückt, und zwar, warum sollte es anders sein, zu den Klängen des Donauwalzers. Es ist, aus dem beglückten und beglockten Publikum die Rede vom Gspaßlaberl, und das muß was Hübsches sein.
Man hat es natürlich nicht gern, wenn die Kollegen das einfache Gemüt eines heimlichen Take-That- Fans hänseln, aber es ist so: Unsereiner wird sich heute abend mit den neuen Super-Teens vergnügen. Dabei weiß keiner so genau, wie man sich zu diesem Phänomen verhalten soll: Junge Fleischberge dominieren die Charts. Es ist wie eine Renaissance des singenden Körpers, wo sonst nur noch Computer walten. Post-Human? Pah. Wer auf MTV einmal dem nuscheligen Manchester-Dialekt der fünf Jünglinge gelauscht hat, wird entgegen aller Image-Gleichmacherei einen gewissen Regionalismus wiedererkannt haben, der sich da in den Levi's-501-Jeans regt.
Mit einer Reihe von Werbeclips ist es derzeit ähnlich: Dort ist die Familie wieder im kommen. Die Diesel-Jeans-Reklame etwa feiert mit Kettensägen-Psycho und Blondine einen schrecklich netten Geburtstag im Kreise der Lieben. Natürlich lag Benetton hier um eine Nasenlänge vorne, als Toscani in Kashmir- verhüllte Global-Panse zu einer Mutter-Vater-Kind- Clique Fünf- bis Fünfzehnjähriger zusammenschweißte. Wir wissen nicht, wie's weitergeht, fürchten uns aber vor den Pink-Floyd-Konzerten im Sommer, bei denen alles miteinander verwachsen wird: Papa wühlt zu „Shine On Crazy Diamond“ mit Mami auf dem Open-air-Rasen, Sohnemann imitiert die Luftgitarre von David Gilmore, und das Töchterlein verguckt sich in einen VW-Verkäufer.
Wo wir gerade bei ganzheitlichen Obszönitäten gelandet sind: Teresa Orlowskis Remake von „Jurassic Park“ liegt in allen guten Videotheken aus. Der Film ist ein ziemlicher Flop. Nur am Anfang ist so etwas wie Parodie auf das Ursprungs-Genre des Katastrophenfilms zu erkennen. Ein verrückter Wissenschaftler mischt im Gen-Labor eklig aussehende Säfte, dann explodiert die Chose, und die Heide wackelt bis nach Lüneburg. Von dieser ersten Schocksequenz an wird nur wieder von Mensch zu Mensch gerammelt, und die geklonten Papp-Pornosaurier sehen nach Karstadt-Spielzeugabteilung aus, mit einem Gartenschlauch als erotischem special effect. Wer unbedingt Mensch und Tier befriedigend gekreuzt wissen will, sei auf „La Bête“ von Walerian Borowczyk, exilpolnischer Erossoftie der siebziger Jahre, verwiesen. Dort muß eine junge Engländerin noch vor der Hochzeitsnacht feststellen, daß ihr Bräutigam – ein französischer Graf – nicht nur verliebt den Deckhengsten zuschaut, sondern sich auch von Zeit zu Zeit in ein Monster verwandelt. Dem Trauma liegt eine kurze Liebelei seiner Mutter mit einem schuppigen Etwas aus dem Wald zugrunde, die der Film in psychedelischen Farben zeigt. Das ganze läuft laut rororo-Filmlexikon unter „subtiler Horrorfilm, zugleich eine provokative Studie über die nicht domestizierbare Gewalt animalischer Sexualität“. Jetzt wissen Sie, warum wir es mit Take That und „Could it be magic“ halten.
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