Welle mit begrenzter Reichweite

■ Neues Hamburger Mediengesetz will ein kommunales Radio, vergißt aber dessen Finanzierung / Werbefreiheit kann teuer werden Von Marco Carini

Am kommenden Mittwoch soll die Bürgerschaft die Weichen stellen: Mit der geplanten Novellierung des neun Jahre alten Hamburgischen Mediengesetzes wird der Weg frei für Hamburgs ersten nichtkommerziellen Radiosender. Denn der Gesetzentwurf sieht einen Non-Profit-Sender ausdrücklich vor. Noch im Sommer dürfte dann die Ausschreibung für die UKW-Frequenz 89,1 folgen.

Und da es bislang nur einen ernsthaften Bewerber gibt, sind die Würfel so gut wie gefallen: zugunsten der Anbietergemeinschaft Freies Sender-Kombinat (FSK).

Noch teilen sich die im FSK zusammengeschlossenen Lokalradios aus Winterhude, Altona, Hamm, Wilhelmsburg und Bergedorf, das Uni-Radio und Radio Loretta, der Frauensender St. Paula und der schwule Pink Channel wöchentlich sieben Stunden im offenen Kanal (96 Mhz). Von Montag bis Freitag gehen die FSK-Radiogruppen täglich um 20 Uhr auf Sender, Samstags schon eine Stunde früher.

Läuft alles nach Plan, dürften die FSKlerInnen aber bereits Anfang 1995 auf eigener Welle auf Sendung gehen. Sechs Stunden wollen sie sich dann täglich Gehör verschaffen. “Außer uns will niemand auf die Frequenz 89,1“, weiß Martin von Radio Bergedorf.

Der Senator fürchtet eine Konkurrenz für Kommerzfunker

Das hat Gründe: Denn die neue Frequenz soll nur eine Mini-Sendeleistung von 50 Watt bekommen, wäre damit nur in einem Radius von rund 12 Kilometern um den Fernsehturm zu empfangen. Begründet wird die Leistungsbegrenzung unter anderem mit technischen Problemen: Ein stärkerer Sender könnte zum Wellensalat führen, die auf dem Frequenzband benachbarten Sender womöglich akustisch überlappen.

Doch es gibt noch einen wichtigeren Grund: Der von Senatskanzlei-Chef Thomas Mirow vorgelegte Gesetzentwurf sah vor, daß ein Lokalradio-Verbund „höchstens die Hälfte der Bevölkerung Hamburgs“ erreichen darf. So sollte verhindert werden, daß Hamburgs Privatsendern Konkurrenz erwächst.

Der Medien- und Kulturausschuß der Bürgerschaft aber votierte vergangene Woche fraktionsübergreifend gegen eine solche Reichweitenbegrenzung und strich den Passus aus dem Gesetzentwurf. „Ein kommunales Radio ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu kommerziellen Privatsendern, weil es ganz andere Hörer-Bedürfnisse befriedigt“, erläutert der Ausschußvorsitzende Franklin Kopitzsch (SPD) den Beschluß.

Denn statt auf Mainstream setzen die alternativen RadiomacherInnen auf stadtteilbezogene Information und Minderheiten-Programme. Marcel Stötzler von Radio Loretta betont: „Wir bekennen uns zur Nicht-Durchhörbarkeit, kein normaler Mensch wird sich unser Programm den ganzen Tag antun“.

Wie absurd den FSKlerInnen die Konkurrenz-Diskussion vorkommt, macht Stötzler mit einer satirischen Zukunftsvision deutlich: „Wenn Lorettas Free-Jazz-Stunde erst richtig abgeht, ist Radio Hamburg k.o.. Wenn das FunkSpielKombinat seine kreischigen Klangcollagen sendet, werden die Teenies in Scharen von OK Radio zu FSK überlaufen. Ganz Hamburg wird nur noch Schwulen- und Lesbensendungen hören, in den Büros und Geschäften laufen ganz nebenbei die beliebten 60-Minuten-Wortbeiträge der Philosophenturmfraktion, in allen Autoradios plärrt die FSK-Radfahrsendung“.

Da die gesetzliche Reichweitenbegrenzung vom Tisch ist, gibt es für Helmut Haeckel, Chef der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM), jetzt „Raum für die Überlegung, die Leistung der Frequenz 89,1 zu erhöhen, oder dem Anbieterverbund eine leistungsstärkere Frequenz zuzuweisen“. Denn die Begrenzung der Reichweite stellt auch die Finanzierung des neuen Kanals infrage.

Rund 13.000 Mark, so haben die RadiomacherInnen ausgerechnet, würde der Sendebetrieb pro Monat mindestens kosten. Um dieses Geld aufzubringen, benötigt das Radio-Kombinat rund 2.000 Fördermitglieder, die durch monatliche Spenden zwischen 5 und 10 Mark den laufenden Betrieb finanzieren. „Wenn das freie Radio aber nur die Hälfte der HamburgerInnen erreicht, ist die andere Hälfte für die Mitgliederwerbung verloren“, sagt Stötzler. Der werbefreie Sender dürfte dann aus eigener Kraft kaum finanzierbar sein.

Deshalb schielen die FSKlerInnen in Richtung staatlicher Finanzhilfen. So könnte Hamburg Bayern nacheifern und das ehrenamtlich betriebene low-budget-Radio aus den Rundfunkgebühren bezahlen. Daß auch ein Obolus aus den Rippen der privaten Kommerz-Sender eine Finanzierungsalternative sein könnte, verrät ein Blick auf das niedersächsische Mediengesetz: Danach sollen die Privatsender drei Prozent ihrer Werbeeinnahmen abgeben, um daraus den Betrieb freier Radios zu finanzieren.

Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit: Die Telecom könnte darauf verzichten, dem Sender für die Ausstrahlung des Programms Postleitungsgebühren abzuknöpfen – immerhin 2.000 bis 3.000 Mark pro Monat.

Diese Variante bevorzugt auch der SPD-Medienexperte Franklin Kopitzsch. „Ich würde das befördern, denn die Telecom hat da gewisse Verpflichtungen“. Töpfe der HAM oder der Hansestadt hingegen könnten „nur in sehr engen Grenzen für eine Starthilfe“ des Non-Profit-Radios in Anspruch genommen werden. Und über die Finanzierung des Senders aus Werbeeinnahmen der privaten Kommerzradios nach niedersächsischem Muster will Kopitzsch erst nachdenken, „wenn dort die Rechtsstreitigkeiten entschieden sind“. Denn „Radio ffn“ und der Sender „Antenne“ haben Verfassungsbeschwerde gegen das Niedersachsen-Modell eingelegt.

Für HAM-Chef Haeckel ist es eine „große Schwäche“ des neuen Mediengesetzes, daß es zwar kommunale Radios propagiert, die Frage ihrer Finanzierung aber ausklammert: „Wer Werbefreiheit verlangt, muß andere Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigen“. Da die HAM weder „rechtlich noch finanziell in der Lage sei“, dem neuen Sender mit einer nennenswerten Summe unter die Arme zu greifen, weiß Haeckel „nicht, wie das Finanzproblem gelöst werden kann“. Wenn aber die „wirtschaftliche Tragfähigkeit des Sendekonzepts nicht gewährleistet“ werden könne, sei schon die Frequenzvergabe an das Radio-Kombinat stark gefährdet. Denn auch für die neue Welle gilt: Ohne Moos nix los.