: Vom Modellprojekt zum Auslaufmodell
■ Baubehörde kippt Bergedorfer Frauen-Nachtauto / Sammeltaxi ist billiger Von Sannah Koch
Ende einer Dienstfahrt. Fünf Jahre erlaubte sich die Hansestadt ein Modellprojekt, das den Bergedorfer Frauen nachts eine angstfreie Fortbewegung ermöglichte. Doch nun ist Schluß mit lustig. Geld ist knapp und die Frau als Zielgruppe lediglich eine eingeschränkte – deswegen wird ab Mai der Betrieb des Frauen-Nachtautos Bergedorf (FNB) eingestellt. Es folgt: ein Modellversuch. Der soll einer weniger reduzierten Zielgruppe zugute kommen: Männern und Frauen.
Das Frauen-Nachtauto, 1989 vom Verein „Frauen in Fahrt“ (FiF) ins Leben gerufen und mit 20 ABM-Stellen zwei Jahre lang in Eigenregie betrieben, war von Anbeginn an vielen ein Dorn im Auge. Vielen Männern. Die Kundinnen des nächtlichen Fahrdienstes waren aber begeistert. Bei einer Befragung hatten 90 Prozent von ihnen gaben zu, nachts Angst vor männlichen Übergriffen zu haben, 65 Prozent hatten keine Alternative zum FNB, wären ohne abends zu Hause geblieben.
Als die AB-Maßnahmen 1991 ausliefen, fiel es Hamburgs PolitikerInnen daher zunächst schwer, den Fahrdienst einfach einzustellen. Der Forderung von FiF, ihn in den öffentlichen Nahverkehr zu integrieren, wollten sie aber auch nicht nachkommen. So blieb das FNB weiter Modellprojekt – nun jedoch unter der Regie der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH). Die transportierten 1993 knapp 8000 Frauens für fünf Mark sicher von Tür zu Tür.
Jetzt erklärt die Baubehörde das Modellprojekt zum Auslaufmodell. Zum Sommer-Fahrplan (29. Mai) solle statt dessen eine billigere „Nachfolgeregelung“ erprobt werden: Ein Anruf-Sammeltaxi, das von 22 bis 2 Uhr zwischen Zollenspieker, Altengamme und S-Bahnhof Bergedorf pendelt. Dafür, so VHH-Sprecher Jens Wrage, werde die Buslinie 229 eingestellt. Bei Anruf (Tel.: 721 18 80, halbe Stunde Vorlauf) werde sich statt dessen ein Fahrzeug der Taxizentrale Bergedorf zu den festgelegten Sammelpunkten bewegen. Anvisiert seien stündliche Fahrten, die ohne Anruf aber ausfallen. Den Transport von Tür zu Tür wird es nicht mehr geben. „Der Komfort des FNB war sicher höher“, räumt Wrage ein, dafür sei dieses Projekt aber breiter angelegt.
Die Kosten einer Fahrt sollen sich voraussichtlich auf fünf bis sieben Mark belaufen, BesitzerInnen einer HVV-Zeitkarte zahlen zwei Mark weniger. Ende April sollen die Bergedorfer Haushalte über Preise und die künftige Route des neuen Fahrdienstes informiert werden.
Mit Zynismus reagieren die FiF-Frauen auf das Ende ihres Projekts. Sie fragen: „Kommt es nun zum Ausgehverbot für Männer in Bergedorf?“ Eine kostenneutrale Maßnahme, die nur eine eingeschränkte Zielgruppe betreffen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen