: Nachschlag
■ Mißbrauchsfilm
Genau hier ist die Insel Donusa nicht eingezeichnet Abb.: Meyers Neuer Weltatlas
Elisabeth Bronfen hätte ihre Freude gehabt. Wie ein Engelchen hängt die schwarzhaarige Griechin am Strick, zufrieden und entspannt wirkt die Schöne später bei der Aufbahrung im weißen Gewand und mit Krone auf dem Haupt. Während die Frauen des Dorfes Totenwache halten, flüchtet der blonde Fremde im Motorboot von der Insel. Tragisches hat sich auf Donusa ereignet, einem Eiland in der Ägäis, „das nicht mal auf einer Karte eingezeichnet ist“. Mit der Ankunft des Fremden in der Fremde beginnt Angeliki Antonious düster-dramatischer „Donusa“, ein Abschlußfilm der DFFB. Der touristische Eindringling heißt Stefan, ist freier Fotograf aus Berlin und trägt mit der Fotoausrüstung auch noch die Insignien des Voyeurismus um den Hals.
Stundenlang läuft Stefan durch die malerischen Gassen und lichtet die berühmten zerfurchten Gesichter ab. Wenn sich die Wege des Deutschen mit denen der rätselhaften Eleni kreuzen, fiedeln Geigen bedeutsam in die Höhe. Argwöhnisch beobachtet Elenis Vater die schmachtenden Blickkontakte, die Mutter schweigt, der Stumme stummt, das Dorf schaut weg. Bald wissen wir: Mit Eleni stimmt was nicht. Willkürlich wechselt die Filmemacherin die Perspektive, plötzlich ist man mittendrin im Mißbrauchsdrama. Seit Generationen findet das inzestuöse Treiben auf Donusa statt, erst verging sich Elenis Vater an seiner Schwester, dann nahm der Patriarch die Tochter. Mit langweiliger Mechanik inszeniert Angeliki Antoniou das Verhängnis, in illustrativen Bildern erfährt man, was man schon immer wußte. Mißbrauch ist schrecklich, erst recht auf einer archaischen Insel ohne Frauenverband und Notruftelefon. Schnitte aufs tosende Meer verlängern die Dramatik der Abtreibung oder suggerieren aufgewühlte Befindlichkeiten. Um die Zuschauer nicht mit differenzierten Konstellationen zu belasten, wandeln nur klassische Charakterfächer auf der Insel herum: böse alte Potentaten, tapfere junge Fremde, leidende Mütter, gemütliche Gastronomen, verschlagene Hexen, niedliche Kinder, der Chor der schweigenden Mehrheit und die anmutige Unschuld. Dann noch diese Klaviermusik à la Klassik zum Frühstück, die einem den letzten Nerv raubt, längst ist man im Geiste ins rettende Motorboot gehüpft und aus dem Kino geknattert. Anke Leweke
Am 10., 12., 13.4., 20 Uhr, Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg- Straße, und von 14. bis 20.4., 21.15 Uhr, Sputnik 3, Südstern
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