: Gefährliche Lügen
■ Türkische Zeitung hetzt gegen Abgeordnete von Bü 90/ Die Grünen
Die Drohung war deutlich: „Zwei Abgeordnete der grünen Partei, ein Türke und eine Deutsche“, so meldete die auch in Deutschland erscheinende türkische Tageszeitung Milliyet am 3. April, arbeiteten als „Spitzel“ der kurdischen Befreiungsorganisation PKK. Umrahmt war der großformatige Artikel von den abgebildeten Gesichtern der beiden Betroffenen, dem ausländerpolitischen Sprecher der Berliner Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Koșan und der Europaabgeordneten der Partei, Claudia Roth. Einzige Grundlage für die Behauptungen des eher liberal geltenden Blattes: Koșan verteile Flugblätter gegen die Abschiebung von Kurden aus der Bundesrepublik, Roth bewerfe das türkische Militär „mit Schmutz“.
Das Bündnis 90/Die Grünen bat nun gestern die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, sich öffentlich gegen die Verleumdungen ihres Abgeordneten Koșan zu wenden. „Dies könnte dazu beitragen, Schaden von seiner Person abzuwenden“, heißt es in dem Schreiben an Hanna-Renate Laurien (CDU).
Koșan, der sich für eine friedliche Lösung des Konflikts in der Türkei einsetzt und wegen seiner Haltung auch von Kurden kritisiert wird, bezeichnete den Artikel gestern als „regelrechte Propaganda und Hetze“. Noch fühle er sich „nicht direkt bedroht“. Bislang sei es bei Beschimpfungen geblieben. So habe er sich beim Einkaufen anhören müssen, ob er „sich nicht schäme“. Mögliche Sicherheitsmaßnahmen schloß Koșan nicht aus, machte sie aber von einem Gespräch mit der Fraktion abhängig. Eine Reise in sein Heimatland Türkei, das er seit 15 Jahren nicht mehr besucht hat, sei durch diesen Artikel nunmehr „undenkbar“ geworden. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen