: Goražde unter Beschuß
■ Sicherheitsrat: Lage weiterhin unklar
Genf (taz) – Trotz der am Donnerstag vereinbarten 24stündigen Waffenruhe setzten serbische Truppen gestern ihre Angriffe auf Goražde fort. Unter Berufung auf Amateurfunker in der ostbosnischen Kleinstadt berichtete der bosnische Rundfunk von anhaltenden Artillerieangriffen auf Stellungen der Regierungsarmee. In vertraulichen Berichten von UN-Militärbeobachtern hieß es, die serbischen Truppen seien bis auf drei Kilometer an das Zentrum Goraždes vorgerückt. Damit seien auch Einrichtungen der UN-Truppen (Unprofor) und humanitärer Organisationen erreichbar.
Elf Tage nach Beginn der Offensive hat der UN-Sicherheitsrat sich noch immer keinen endgültigen Eindruck von der Lage in der von ihm zur „Schutzzone“ erklärten Stadt gemacht. In der Nacht zum Donnerstag hatte der Rat sich zwar „tief besorgt“ über die „fortgesetzte Gewalt“ in Bosnien geäußert, jedoch keine Gegenmaßnahmen beschlossen. Gegenüber dem Unprofor-Oberkommandierenen in Bosnien, General Rose, hatte Serbenführer Karadžić bislang immer behauptet, eine Einnahme Goraždes sei nicht geplant. Der an der Offensive gegen die Stadt beteiligte serbische Oberst Segrt erklärte jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur der bosnischen Serben, Srna, die Offensive solle die Bedingungen für die Einnahme von Teilen der Stadt schaffen, in der die Serben „historische Rechte“ hätten. Eine weitere monatelange Belagerung Goraždes, das bereits seit über einem Jahr von serbischen Truppen umzingelt ist, könnte schließlich zu einer Massenflucht der rund 70.000 Menschen in der Stadt führen.
Möglicherweise ist dies das Ziel zumindest der militärischen Führung der Serben. Die bosnische Regierung besteht dagegen darauf, daß Goražde und die beiden anderen bosnischen Enklaven in Ostbosnien, Zepa und Srebenica, zum Staatsgebiet der kürzlich gegründeten muslimisch-kroatischen Föderation gehören sollen. Andreas Zumach
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