: Elefanten ratlos im Porzellanladen
Nachdem Südafrikas Politiker sich bei ihrem Gipfeltreffen nicht einigen konnten, wachsen in Natal die Spannungen weiter / Wahlkommission: Keine Wahlurnen in KwaZulu ■ Aus Eshowe Willi Germund
„Sie wollen euren König stehlen! Sie werden euch umbringen! Sie werden euch verbrennen!“ heißt es auf anonymen Flugblättern, die in Eshowe, rund 130 Kilometer nördlich der Hafenstadt Durban, im südafrikanischen Natal verteilt werden. „Stoppt den ANC jetzt!“ geht es weiter im Text. Und dann folgt eine Liste mit Namen: „Das sind eure Feinde.“ Die weiße Pippa Taylor – „die fette Ärztin“ – wird als „Kommunistin“ beschimpft. Sam Nxumalo, ein schwarzer ANC-Funktionär, steht ebenso auf der Todesliste wie Zamokwakhe Mkhize, ein nach Durban geflohener Schüler.
„Ich habe Zamokwakhe nach Durban geschickt, ich hoffe, dort ist er in Sicherheit“, sagt Babsy Mkhize, der Bruder des Geflohenen. Einen Tag nachdem am Freitag abend im Krügerpark die Elefantenrunde von Staatspräsident Frederik W. de Klerk, ANC-Präsident Nelson Mandela, Zulu-König Goodwill Zwelethini und Mangosuthu Buthelezi, dem Chef der konservativen Schwarzenbewegung Inkatha, scheiterte, steht der Priester Babsy Mkhize in Eshowe vor den offenen Gräbern seiner Brüder Linda und Wiseman. Beide wurden vor ein paar Tagen im Schlaf erschossen, beide gehörten wie der jüngste Bruder Zamokwakhe zum ANC.
Die Totengräber schaufeln Erde ins Grab. Linda und Wiseman gehören zu den 130 Toten, die seit der Verhängung des Notstands in der Provinz Natal und dem Schwarzenreservat KwaZulu vor elf Tagen der politischen Gewalt zum Opfer fielen. Rund 10.000 Menschen starben in Natal, seit dort 1983, angestachelt von südafrikanischen Sicherheitskräften, die Feindseligkeiten zwischen Inkatha und dem ANC ausbrachen.
„Wenn Buthelezi und seine Minister ihre Position nicht ändern, zündeln sie an einer Zeitbombe“, hatte ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa am Samstag nach dem Scheitern der Gespräche erklärt. Buthelezi beharrte bei dem Treffen auf einer Verschiebung der ersten allgemeinen und demokratischen Wahlen in Südafrika. König Goodwill Zwelethini weigerte sich, den Aufruf an die 8,5 Millionen Zulus zurückzunehmen, am 26. bis 28. April den Urnengang zu boykottieren – das ANC-Angebot, sein Königreich als „konstitutionelle Monarchie“ anzuerkennen, ging ihm nicht weit genug. Inkatha beriet am Wochenende in der KwaZulu-Hauptstadt Ulundi über weitere Schritte.
Nun brennt die Lunte an der „Natal-Zeitbombe“, so die Sonntagszeitung Rapport. Zwar hatte de Klerk am Samstag versucht, die positiven Aspekte des zehnstündigen Verhandlungsmarathons herauszukehren. Aber ein hoher Regierungsfunktionär fürchtet, daß nun eine Menge Porzellan kaputtgeht: „Es gibt keine Möglichkeit für eine Vereinbarung mehr.“ Denn die Zeit läuft davon. Auch die internationale Vermittlung, zu der die Dienste von zwei ehemaligen Außenministern der USA und Großbritanniens, Henry Kissinger und Lord Carrington, herangezogen werden sollen, wird vor den Wahlen kaum noch eine Lösung im Konflikt um die Wahl in der Provinz Natal bringen können. Cyril Ramaphosa erklärte zwar am Samstag: „Wir werden jede Vereinbarung von den Vereinten Nationen und dem Verfassungsgerichtshof als Garanten unterzeichnen lassen.“ Doch auch solche Äußerungen sind eher darauf gezielt, in der aufgeheizten Atmosphäre vor den Wahlen jede unnötige Zuspitzung zu vermeiden.
Vor Ort, in Natal, werden längst Tatsachen geschaffen. Statt wie zuerst geplant 1.000 bis 1.200 Wahlurnen in dem von Buthelezi regierten Homeland KwaZulu aufzustellen, will Südafrikas Unabhängiger Wahlrat jetzt nur noch 800 Urnen in die Region entsenden. Sie sollen nur in Ortschaften außerhalb KwaZulus aufgestellt werden und den rund drei Millionen Wahlberechtigten des Homelands die Möglichkeit geben, trotz Gewalt und Boykott ihre Stimme abzugeben – wenn sie es wagen, die Reise auf sich zu nehmen und anschließend als Gegner des Wahlboykotts gebrandmarkt zu werden.
Laut Dikgang Moseneke, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Wahlrats, gilt vor allem die Gegend um die Stadt Empangeni und Eshowe als Problem. „Wir tun, was wir können“, erklärte er nach einer Rundreise durch Natal. „Ich wäre mehr als überrascht, wenn wir die Wahlen hier organiseren können“, sagt Reshaad Ismael, der Leiter der Wahlkommission in Empangeni, „unsere Mitarbeiter sind bedroht worden und brauchten Polizeischutz, wenn sie in schwierige Gegenden fuhren.“
Eshowe zählt zu den drei wichtigsten Stützpunkten der südafrikanischen Streitkräfte in der Provinz. Doch die insgesamt 3.000 Soldaten, die bisher entsandt wurden, reichen nicht aus. Zumal ein Teil der Truppen, die in Natal und auch in den gewalttätigen Townships am Rande Johannesburgs eingesetzt werden, Zulus sind. „Es gibt bereits Probleme zwischen den Zulus und den anderen Teilen der Streitkräfte“, beobachtete der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen