: Ruhe in Asiens anderem Atomkonflikt
■ Pakistan soll für seine Atombomben nicht bestraft werden wie Nordkorea, sondern sogar US-Kampfflugzeuge erhalten
Delhi (taz) – Pakistan hat die 38 US-Kampfbomber des Typs F-16 bereits bezahlt. Ihre Lieferung scheiterte aber bisher am Pressler- Zusatz im US-Auslandshilfegesetz, welcher es der amerikanischen Regierung seit 1990 untersagt, Pakistan Militär- und Wirtschaftshilfe zu leisten, weil es ein unkontrolliertes Nuklearwaffenprogramm verfolgt. Statt Pakistan mit diesem Druckmittel in die Knie zu zwingen, hat der Zusatz in den Augen der Clinton-Administration inzwischen das Gegenteil erreicht: es hat die USA einer außenpolitischen Einflußmöglichkeit beraubt, und dies gerade in einer Region, die gemäß der Einschätzung der CIA „das größte Risiko für den künftigen Einsatz von Massenvernichtungswaffen, einschließlich des Gebrauchs von Atomwaffen, bildet“. Clintons Versuch, das Pressler-Amendment im neuen Auslandshilfegesetz zu streichen, scheiterte am Widerstand des US-Kongresses. Nun versucht er, von diesem eine einmalige Ausnahme zu erwirken: Danach sollen die Flugzeuge geliefert werden, wenn sich Pakistan im Gegenzug bereit erklärt, sein Nuklearprogramm einzufrieren und einer umfassenden internationalen Verifikation zu unterziehen.
Der letzte Woche beendete Besuch von Unterstaatssekretär Strobe Talbott in Delhi und Islamabad diente dazu, diesen Plan beiden Regierungen schmackhaft zu machen. Der Besuch in Indien drängte sich auf, weil Pakistan sein Nuklearprogramm als Schutzschild gegen das – vermutete – indische Atomwaffenpotential betrachtet; es dürfe daher nur im Rahmen einer gemeinsamen Abrüstungslösung beider Länder geopfert werden. Ein Vorschlag der Bush-Administration aus dem Jahr 1991 für eine solche regionale Lösung, garantiert von USA, Rußland und China, scheiterte aber am Widerstand Indiens. Der Grund: Während sich Pakistan vor Indiens Atomwaffen fürchtet, sieht sich Indien den Atomsprengköpfen Chinas ausgesetzt, deren Stationierung im Hochland Tibets vermutet wird, mit einem Streubereich bis tief in den Subkontinent.
Drei Atommächte: China, Indien, Pakistan
Talbott erhielt in Delhi aufmerksames Gehör, weil auch Indiens Regierung daran interessiert ist, die insgesamt guten bilateralen Beziehungen nicht zu gefährden. Der Gesprächsatmosphäre war zweifellos förderlich, daß der US-Emissär keinen expliziten Link mit der Kaschmirfrage herstellte, sondern die Lösung dieses Konfliktes den beiden Ländern selbst zuwies. Laut unbestätigten Berichten soll Talbott erstmals auch die Möglichkeit einer multilateralen Konferenz nach der Formel „Fünf plus zwei plus zwei“ diskutiert haben: eine Übereinkunft zwischen den fünf Atommächten, den zwei Sicherheitsratskandidaten Deutschland und Japan sowie Indien und Pakistan. Das große Fragezeichen dabei bildet allerdings China, das als einzige Großmacht seine atomaren Kapazitäten immer noch ausweitet und auch weiterhin Atomwaffen testet. Das Argument Talbotts, 38 pakistanische Kampfflugzeuge stellten für Indien eine kleinere Gefährdung dar als ein unkontrolliertes Atomwaffenprogramm, ging daher nach Meinung der Militärstrategen an der zentralen Frage – jener nach einem glaubwürdigen Atomschild gegenüber China – vorbei.
Auch in Pakistan war die dortige Regierung bemüht, den amerikanischen Vorschlag – Flugzeuge gegen Nuklearkontrollen – nicht von der Hand zu weisen. Aber im gemeinsamen Schlußkommuniqué ist lediglich von der Übereinstimmung beider Seiten „für die Zielsetzungen, welche dem Vorschlag zugrunde liegen“ die Rede, nicht aber für diesen selbst. In der Tat fällt es schwer, von Pakistan ein derartiges Zugeständnis zu erwarten, solange Indien zu entsprechenden Konzessionen nicht bereit ist. Auch die Versüßung der Offerte – durch P-3-Orion-Flugzeuge und T-37-Jet-Trainers – dürfte daran wenig ändern. Pakistans Elite ist nämlich überzeugt, daß das nukleare Abschreckungsgleichgewicht Pakistan und Indien seit 1971 von einem neuen konventionellen Krieg abgehalten hat. Bernard Imhasly
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