: Frisches Blut für Draculine
■ Neue und exhumierte Horrorfilme auf dem 2. „Fantastival“ im Kino 46
Da geht's dem Horrorfilm wie vielen seiner Protagonisten: einfach nicht totzukriegen. Mag der Schrecken auch stets derselbe bleiben; mag der Wind beständig heulen, mag die Tür immergleich quietschen, um dann donnernd ins Schloß zu fallen, und mögen die abgesägten Zombieköpfe ewig albern in die Großaufnahme plumpsen: Gerade die festgelegten Rituale sind es, die das Genre am Leben erhalten. Fürchterlich Neues wird's daher auch auf dem 2. Bremer „Fantastival“ am kommenden Wochenende nicht zu sehen geben. Dafür hat das Kino 46 elf Horrorfilme ausgesucht, in denen die altvertrauten Klischees recht liebevoll, bisweilen auch ziemlich durchgeknallt variiert werden.
Die Spezialisierung des „Fantastivals“ auf den Horror bedeutet denn auch keine Einbuße an phantastischen Wesen: Vampire, Zombies, Mutanten und Ritualmörder geben sich praktisch die Klinge in die Hand. Dabei hat das Organisationsteam des Festivals seiner Schwäche für die abseitigeren Varianten der Standardmonster nachgegeben. So kommen Horrorvisionen auf die Leinwand, die dem Großteil des Kinopublikums ansonsten wohl verborgen blieben. Dazu zählen drei Filme aus dem überbordenden Markt des japanischen Fantasyfilms. Analog zu den japanischen Comics der 80er, den z.T. telefonbuchdicken „Mangas“, zählt auch im Film vor allem die Geschwindigkeit: Ziel ist es, eine möglichst hohe Mutationsrate in möglichst wenigen Einstellungen zu erzeugen; das Ganze vor dem pittoresken Hintergrund einer volldigitalisierten, monströsen Technometropole. Wer Hollywoodprodukte der Marke „Terminator“ für nervenzerfetzend hält, dem werden hier wohl die Augen übergehen. Womit die Mehrzahl der Filme schon ihren Zweck erfüllt haben dürfte. Neben einer Splatterversion von „Pinocchio“ zeigt das Kino 46 zwei Filme mit dem Mutantenstar „Tetsuo“, mit dem die Japaner vorn auf der Cyberpunkwelle mitsegeln.
Zu den entlegenen Varianten des Genres zählen auch die beiden Vampirfilme, die nacheinander in der Freitagnacht laufen. Die sexuellen Untertöne der ewigjungen Draculageschichte sind hier mal auf den Punkt gebracht: Während der Gentleman des Originalstoffs seine Opfer bekanntlich v.a. mit den Zähnen penetriert, legen seine Nachkommen diese gleich ordentlich flach – wobei es sich in „The Velvet Vampire“ und „Daughters Of Dracula“ (beide aus den 70ern) jeweils um Untote weiblichen Geschlechts handelt. Gleichviel: Hingemetzelt werden die zärtlich Gebissenen am Schluß so oder so – so will es das Gesetz des Genres.
Daß dieses auch die Gefahr der Wiederholung birgt, des stumpfsinnigen Nachbetens der alten Blutrituale – auch das ist auf dem „Fantastival“ zu spüren. Und zwar ausgerechnet bei einer „Erstaufführung“: Die Serienmörderstory „Aura“ reproduziert die abgenudelten Horrorklischees gleichfalls serienmäßig; Regisseur Dario D'Argento, ein alter Haudrauf-in-allen-Gassen, mag einfach nichts auslassen, von der dramatisch einherpolternden Gruselmusik bis zum tausendundersten Hitchcock-Zitat – richtig, die Duschszene...
Es geht freilich auch ganz anders. Die andere Erstaufführung des Festivals, Abel Ferraras „Body Snatchers“, verspricht eine nochmals verdusterte Neufassung von Don Siegels Horrorklassiker. Im 50er-Jahre-Original trägt der Schrecken noch deutlich die Züge der Kommunistenhetze. Heute kommen die Parasiten nicht mehr aus demAll, um sich unserer Körper & Seelen zu bemächtigen: Der ganz normale Faschismus ist es hier, der sich als „nicht-humanoide Macht“ auf Erden ausbreitet. tom
Donnerstag bis Sonntag im Kino 46 (Waller Heerstr. 46); Termine siehe Kasten
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