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Bei Air France sitzen alle in einem Flieger

81 Prozent der Beschäftigten stimmten dem drakonischen Sanierungsplan ihrer Chefs zu: Mehr Arbeit,eingefrorene Löhne, Beförderungsstopp und 5.000 Arbeitsplätze weniger  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Absturz oder Radikalsanierung – andere Möglichkeiten hat Air France nach Ansicht von Christian Blanc nicht.

Der Chefsanierer des staatlichen französischen Luftfahrtunternehmens hatte seine 40.000 Beschäftigten in den vergangenen Tagen zum „Referendum“ über einen drakonischen Rettungsplan gebeten. Überraschende 81 Prozent der Belegschaft stimmten zu. Sie legitimierten ein Projekt, das den Abbau von 5.000 Arbeitsplätzen vorsieht, die Löhne für drei Jahre einfrieren, die Wochenarbeitszeit um eine Stunde verlängern und Beförderungen aussetzen will.

„Ich bin stolz auf Air France“, sagte der 51jährige Blanc am Montag abend. Für den Fall eines negativen Wahlentscheids hatten er und Transportminister Bernard Bosson bereits ihren Rücktritt angekündigt. Für einen positiven Wahlausgang hatte die französische Regierung eine gigantische Finanzspritze in Höhe von 20 Milliarden Francs (ca. 6 Milliarden DM) für das marode Unternehmen in Aussicht gestellt.

Die erste Überweisung in Höhe von drei Milliarden DM ist jetzt fällig. Premierminister Eduard Balladur wollte noch gestern nachmittag das O.K. des EU-Verkehrskommissars Abel Matutes für die Subvention einholen.

Christian Blanc war erst im Oktober an die Spitze von Air France berufen worden, nachdem sein Vorgänger Bernard Attali an der Sanierung gescheitert war. Militante Demonstrationen und Streiks – die stärkste Protestbewegung der Air-France-Geschichte – hatten seinen Plan zu Fall gebracht. Der Rückzieher war zugleich die erste öffentliche Niederlage des neuen konservativen Regierungschefs Edouard Balladur.

Das jetzt abgesegnete Sanierungsvorhaben ist nicht wesentlich anders, doch heute setzt die Unternehmensleitung statt auf Entlassungen auf einen urwüchsigen Arbeitsplatzabbau, und von einer Privatisierung ist vorerst keine Rede mehr.

Ziel der Sanierung ist eine 30prozentige Produktivitätserhöhung geblieben. Dazu soll auch die Zahl der Air-France-Flugzeuge von 166 auf 149 verringert werden.

In den vergangenen Jahren hat Air France stets steigende Verluste eingeflogen: 1992 war es eine knappe Milliarde DM, im vergangenen Jahr bereits 2,5 Milliarden DM. Für dieses Jahr erwartet Blanc weitere 1,2 Milliarden Verluste. Auch die Verschuldung von Air France liegt mit 11 Milliarden DM in astronomischer Höhe.

Die insgesamt 14 Gewerkschaften bei Air France beobachten die Entwicklung mit Sorge. Nur sechs von ihnen hatten im März den Rahmenplan von Blanc unterzeichnet. Erst nach dem Scheitern jener Verhandlungen war die Arbeitgeberseite in das Referendum gegangen. Mehrere Gewerkschaften hatten selbst auf eine Wahlempfehlung für das Referendum verzichtet. Die kommunistische CGT argumentierte, daß auf jeden Fall neue Arbeitskämpfe anstünden.

Das Abstimmungsergebnis und die mit über 83 Prozent hohe Wahlbeteiligung weisen in eine andere Richtung. Im Arbeitsrecht sind Referenda nicht vorgesehen, ihr Ergebnis hat keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Dennoch geht das Management von Air France politisch gestärkt daraus hervor, denn die Streikbereitschaft derjenigen, die für den Sanierungsplan gestimmt haben, dürfte entschieden sinken.

Die Gewerkschaften, die in Frankreich ohnehin nur noch unter 10 Prozent der Beschäftigten repräsentieren, verlieren noch mehr an Einfluß.

Das Referendum wird seit einem knappen Jahr in zahlreichen französischen Betrieben eingesetzt. Dahinter verbirgt sich kein neues Demokratieverständnis der patrons, sondern der Wunsch, den Lohn zu kürzen und Streiks zu vermeiden. Hinter der Abstimmungsfrage verbirgt sich immer eine Drohung. Sie lautet: Absturz oder Radikalsanierung.

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