■ Linsen Soufflé
: Große Giftzwerge und kleine Papiertiger in Cannes

Für das 47. Internationale Filmfestival Cannes (12. bis 23. Mai) hat sich jede Menge Ärger angekündigt. Nach den selbstbewußten Auftritten von EU-Medienkommissar Joao de Deus Pinheiro in Hollywood waren die Majors stinkwütend und schworen Rache. Sie warten zwar noch ab, ob der EU-Mensch nur rumgelabert hat und sich eventuell als Papiertiger entpuppt, für den Fall aber, daß die Europäische Union Ernst macht mit restriktiven Maßnahmen gegen die Dominanz der Amerikaner, wollen die großen US-Studios Cannes boykottieren. Peinlich. Denn Cannes war immer auch das europäische Schaufenster für die amerikanischen Filmereignisse des Jahres, ohne das Rudel Ami-Stars und Sternchen ging's an der Croisette ungefähr so glanzvoll zu wie auf der Berlinale. Festivalleiter Gilles Jacob zeichnet sich auch nicht gerade durch Feingefühl aus. Spike Lees neuen Film „Crooklyn“ hat er gerade für den Wettbewerb als ungeeignet eingestuft und abgelehnt. Über Penny Marshalls „Renaissance Man“ soll er noch brüten. Für den Fall, daß Jacob ihm Gnade widerfahren läßt, wäre wenigstens der große Giftzwerg Danny DeVito als Gast in Cannes zu sehen. Definitiv ist bis heute nur ein einziger US-Studiofilm („The Hudsucker Proxy“) für den Wettbewerb gebucht. Dagegen tauchen die US-Independents wieder in großer Zahl auf. Außerdem wird eine umfassende Robert-Altman-Retrospektive gezeigt. Alle Altman-Filme außer „M.A.S.H.“, der, so behauptet knochentrocken die Festivaldirektion, in Europa bereits „im Übermaß“ gespielt wurde.

Und was ist mit uns, mit Deutschland in Cannes? Der deutsche Film sei ja nun wohl endgültig und definitiv mausetot, behauptete kürzlich noch ein Festivalvertreter – wahrscheinlich nur weil Wim Wenders, der große Cannes-Abräumer, keine neue Arbeit auf der Pfanne hat. Trotzdem hat zumindest eine dieser Leichen eine Chance. Jan Schüttes dritter Spielfilm „Auf Wiedersehen, Amerika“ (Start bei uns am 28. April) wird Deutschland in der Rubrik „Quinzaine des Réalisateurs“ vertreten. Apropos Deutschland gegen Frankreich. „Unser“ Bernd Eichinger ist drüben gerade böse auf die Schnauze gefallen. Sein „Geisterhaus“, bei uns noch ein ganz anständiger kommerzieller Erfolg, floppte an der Seine. Eine Woche in den Pariser Kinos, und ein Gähnen ging durch die Zuschauerräume. Allerdings hatte auch die Romanvorlage von Isabel Allende die Franzosen nicht gerade vom Hocker gehauen. Mais oui, die Franzosen achten halt auf Qualität. Die Amis eigentlich nicht. Und doch legte Eichinger mit seinem Bombast auch in den USA eine saubere Bauchlandung hin. Erst einmal rief die Vertretung der lateinamerikanischen Schauspieler zu einem Boykott des klebrigen Epos auf, da man sie bei der Besetzung der eindeutig lateinamerikanischen Rollen völlig ignoriert habe. Danach waren die Profis dran: Das People Magazine meckerte, der Film habe „der Romanvorlage allen Saft entzogen“ und einen „Haufen Kitsch“ hinterlassen, und Kritikerpapst Kenneth Turan von der Los Angeles Times befand kurz und vernichtend, das ganze Ding sei nichts anderes als „eine erschöpfte Seifenoper“. Amen. Karl Wegmann