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Ermittlungen gegen Schneider

■ Immobilienhai weiter flüchtig / Treffen von Gläubigerbanken / Bundesregierung erwägt Änderung des Konkursrechts zum Schutz der mittelständischen Gläubiger

Frankfurt/Leipzig/Bonn (AP/ dpa/taz) – Gegen den flüchtigen Immobilienhändler Jürgen Schneider hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf eine Betrugsanzeige der Deutschen Bank hin ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Es gründe sich auf angeblich „manipulierte Unterlagen“ für einen Kredit von 415 Millionen Mark für das Frankfurter Einkaufszentrum „Les facettes“ auf der Zeil, erklärte die Anklagebehörde gestern. „Statt einer vermietbaren Fläche von 20.000 Quadratmetern und zu erwartenden Mieteinnahmen von 57 Millionen Mark im Jahr habe die vermietbare Fläche nur 9.000 Quadratmeter betragen. Die tatsächlichen Mieteinnahmen beliefen sich nur auf acht Millionen Mark pro Jahr“, schrieb die Staatsanwaltschaft. Der Gegenstand der Anzeige betreffe nur einen kleinen Ausschnitt aus dem gesamten Kreditengagement. Gestern nachmittag fanden sich die 50 Gläubigerbanken in Frankfurt zusammen, um sich von dem Rest-Vorstand der Schneider AG über das Ausmaß der finanziellen Misere informieren zu lassen. Es wird nicht ausgeschlossen, daß das Unternehmen Konkurs anmelden muß. Vom Firmenchef Jürgen Schneider und seiner Frau fehlt weiterhin jede Spur. Fest steht inzwischen, daß Schneider bei den Banken mit mindestens fünf Milliarden Mark in der Kreide steht. Die vermuteten Gesamtschulden des Bau-Imperiums – darunter die Forderungen von Bauunternehmen und Handwerksfirmen – werden auf mehr als neun Milliarden Mark taxiert. Im zweiten Halbjahr 1993 hat die Immobilienfirma ihre Bankverbindlichkeiten noch um 1,2 Milliarden Mark aufgestockt. Die Zahl der Gläubigerbanken wurde von 43 auf 50 ausgeweitet – ein Anzeichen dafür, daß die Kreditlinien bei den bisherigen Kreditgebern ausgereizt waren. Mit Forderungen von 1,3 Milliarden Mark ist mit Abstand größter Schuldner die Deutsche Bank, gefolgt von Dresdner (330 Millionen Mark), Bayerischer Hypobank und Depfa-Bank.

Die Banken haben sich abgesichert

Geht die Firma Schneider in Konkurs, können sich die Banken zunächst einmal ihre Forderungen sichern, denn sie haben sich durch Grundschulden und Hypotheken abgesichert. Die übrigen Gläubiger – Bauunternehmen, Handwerksbetriebe und Zulieferer – müssen sich dann die restliche Vermögensmasse, soweit vorhanden, teilen. Allerdings können auch die Banken Probleme bekommen, wenn Schneiders Objekte – wie vermutet wird – überbewertet sind.

Unterdessen forderten Politiker von der Regierungskoalition und der SPD, durch Auffanggesellschaften und Sozialpläne vor allem die mittelständischen und die kleinen Handwerksbetriebe vor den Folgen eines Milliardenkonkurses zu schützen. Günther Heyenn (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses, erklärte, Kreditinstitute wie die Deutsche Bank führen in Krisenzeiten hohe Gewinne ein, da stünden sie „auch bei Pleiten im Wort“. Wenn es nicht anders gehe, sollten die Banken zugunsten der bedürftigen Betriebe ihre Forderungen zurückstellen. Ähnlich die Vorstellungen der Handwerkskammern, die die betroffenen Betriebe vertreten. Bei den Banken selbst war zu diesen Forderungen keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Bundesregierung denkt unterdessen an eine Änderung des Konkursrechts, die Lieferanten und Handwerker schützen soll. Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, sollen unter anderem mittelständische Gläuber bessergestellt werden als die Gläubigerbanken. Zur Vorbereitung einer Gesetzesänderung hat das Ministerium eine Arbeitsgruppe eingesetzt. lieb

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