: Umweltsenator Fücks entläßt Stellvertreter
■ Staatssekretär verschwieg Verbindung zu Gutachterfirma: Filzverdacht
Bremen (taz) – Das schnelle Ende einer Affäre: Am späten Mittwoch nachmittag trennte sich der grüne Bremer Umweltsenator Ralf Fücks von seinem Stellvertreter. Staatsrat Uwe Lahl wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Zwei Tage zuvor war Lahl in den Strudel des Verdachts geraten und hatte ziemlich alles getan, dort auch drinzubleiben. Anlaß war die Vergabe eines Gutachtens über die Nachfolge der schrottreifen Bremer Müllverbrennungsanlage. An dieser Vergabe war Lahl beteiligt gewesen, hatte aber verschwiegen, daß er besondere persönliche Beziehungen zu einem der beiden Gutachter-Büros – dem Hamburger Igenieurbüro Umweltschutz (ITU) – unterhielt. Seine Frau ist in leitender Stellung bei einer ITU- Tochterfirma, und Lahl selbst hatte schon einen Geschäftsführervertrag bei der ITU in der Tasche, bevor er nach Bremen geholt wurde. Der Filzverdacht konnte bis heute nicht erhärtet werden. Doch was Lahl trotzdem in den Ruhestand beförderte, war sein Schweigen. Er rückte auch dann noch nicht mit der ganzen Wahrheit heraus, als sein Senator bereits Ehrenerklärungen für seinen Stellvertreter abgab. „Vertrauensverlust nach innen und nach außen“ war dann auch die Begründung für den Rauswurf, der Fücks aber sichtlich naheging.
Bremen steht vor einer wichtigen müllpolitischen Richtungsentscheidung. Die Verbrennungsanlage hat nur noch Schrottwert, wenn 1997 neue Emissions-Grenzwerte greifen. In dieser Situation wollte Lahl das Heft nicht aus der Hand geben. Als es um die Vergabe der Vorgutachten über die Nachfolge der MVA ging, wollte er mitentscheiden – und verschwieg seine Verbindungen zu einem der Konkurrenten. Im notorisch verfilzten Bremen war das politisch tödlich, zumal es gerade die Grünen waren, die immer wieder die meist sozialdemokratischen Fälle von Mauschelei und Filz heftig gegeißelt hatten. Die ersten Zweifel tauchten auf, als vor zwei Monaten die CDU-Opposition nach der Vergabe der Gutachten fragte. Da erst, knapp zwei Jahre nach der Auftragsvergabe, gestand Lahl zum ersten Mal gegenüber Fücks die familiären Verbindungen zum ITU. Seit diesem Zeitpunkt wurde Lahl von der weiteren Müllplanung zurückgezogen. Vom Geschäftsführervertrag sagte Lahl seinem Chef aber nichts. Erst als schon die gesamte Bremer Presse auf dieser Fährte war, rückte Lahl mit der Geschichte vom Geschäftsführervertrag heraus. Noch am Tag der ersten Vorwürfe hatte er intern beteuert, er habe keine weiteren Verbindungen zu ITU gehabt. Fücks legte eine Dokumentation der Auftragsvergabe vor, die beweisen soll, daß Lahl an keiner Stelle manipuliert habe: „Es gibt keine Zweifel an der Integrität von Uwe Lahl.“ Aber: Das Schweigen, das war „politisch unsensibel“. Ein Nachfolger für Lahl ist noch nicht in Sicht. Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen