: Boehringer: Für immer verseucht
■ Zehn Jahre nach der Schließung der Giftküche in Moorfleet ist die Sanierung gescheitert / 120 Millionen in den Sand gesetzt Von Marco Carini
Aus, vorbei, für immer verseucht. Das Moorfleeter Werksgelände des Pharmariesen „Boehringer“ bleibt eine Chemiemüllhalde. Die Sanierung des mit Dioxinen und anderen giftigen Kohlenwasserstoffen durchseuchten Gelände-Bodens wird abgebrochen. Sichern statt sanieren heißt jetzt die Devise. Das 85.000 Quadratmeter große ehemalige Produktionsgelände wird durch eine „Dichtwand“ komplett „eingekapselt“. Der Grund: Die Reinigung des vergifteten Bodens hat sich als technisch und finanziell „nicht machbar erwiesen“. Alexander Porschke, Umweltexperte der GAL, spricht von einem „umweltpolitischen Desaster“.
Vor zehn Jahren, am 18.6.1984, mußte die Moorfleeter Filiale des Pharmakonzerns „Boehringer“ die Pforten schließen, weil sie behördliche Umwelt-Auflagen nicht erfüllen konnte - die erste Werksschließung der Republik aus ökologischen Gründen. Doch das im Boden verbliebene Gift des Pflanzenschutzmittel-Produzenten verseucht seitdem das Grundwasser der Umgebung. Sechs Jahre, bis zum Sommer 1990, benötigten Boehringer und der Hamburger Senat, um sich auf ein Sanierungskonzept zu einigen: Boehringer sollte das Gelände bis Anfang 1995 mit einem Aufwand von 142,8 Millionen Mark sanieren.
Bis heute sind nach GAL-Berechnungen bereits über 120 Millionen Mark verbraucht, doch nicht mal 10 Prozent der Altlasten abgetragen. Boehringer-Pressesprecher Siegfried Darda räumt ein: „Die GAL-Zahlen stimmen“. Nach Angaben des Senats wurden von 31.000 Kubikmeter zu behandelndem Bauschutt bislang nur „1100 Kubikmeter nicht behandlungsbedürftiges Mauerwerk“ entsorgt. Von den 67.000 Quadratmeter verseuchten Bodens wurden erst 4.600 Kubikmeter behandelt. Und die geplante Reinigung von rund einer halben Million Kubikmeter Grundwasser befindet sich noch „in der Versuchsphase“. Ginge es so weiter, würde die Komplett-Sanierung mehr als eine Milliarde Mark kosten. Als Grund für den Sanierungsflop nennt Boehringer-Sprecher Darda „technische Probleme“.
Um ein weiteres Austreten der Gifte zu verhindern, soll das Gelände in den nächsten vier Jahren mit einer aus Naturton und Zement bestehenden Wand umschlossen werden. Bis zu 40 Meter tief in die Erde soll die Mauer getrieben werden, bis auf eine wasserundurchlässige Glimmertonschicht. Neben den gut 20 Millionen Mark noch unverbrauchter Gelder will Boehringer weitere 40 Millionen Mark in die Geländesicherung stecken.
Erst wenn nach Abschluß der „Einkapselung“ keine weiteren Gifte in die Umgebung sickern, soll Ende der 90er Jahre mit der Reinigung des verseuchten Grundwassers begonnen werden. Doch auch die dabei festgelegten Reinigungswerte liegen weit oberhalb der Trinkwasserverordnung. Und wieweit sich die Chemiegifte bereits ausgebreitet haben, kann heute noch niemand sagen. Doch sprach das Geologische Landesamt bereits 1990 davon, daß in einer Entfernung von 1,5 Kilometern von der stillgelegten Boehringer-Filiale Benzole die Grundwasserleiter vergiftet haben. Nach 10 Jahren Untätigkeit, so scheint es, ist der Wettlauf mit der Giftfahne endgültig verloren.
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