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Endlich mal außer Kontrolle

■ Heute abend: Frauenkabarett mit den „Erzengeln“ und den „Schwarzen Schwestern“

Immer nur brüten,

das Ei behüten –

wer hält das aus?

Ich will jetzt hier raus.

Singen sie, die Gewerkschaftsfrauen, die ständig auf der Straße demonstrieren waren, „was ja auch nichts gebracht hat“. Dafür machen sie jetzt Kabarett und brüten giftige Texte aus, die Erzengel und die Schwarzen Schwestern, und das ist für sie auch eine Art Ventil für all ihre Wut und ihren Frust, der sich tagtäglich so anstaut. Für das Bremer Kulturprojekt Gewaltige Frauen, das den Frauenstreiktag vom 8. März noch bis weit in den Mai nachklingen läßt, präsentieren die beiden Gruppen heute einen gemeinsamen Kabarettabend in der Angestelltenkammer.

„Berufskabarett“, sagen sie, wollten sie ursprünglich machen – die fünf Engel allesamt Erzieherinnen im Kindergarten, die Schwestern beide Krankenschwestern. Sketche über Kinder, Kranke, Minderheiten und selbstredend über „die Frauen“ brennen ihnen allen da unter den Nägeln. Und mit denen kratzen sie sich einmal quer durch ihr Programm.

Was man(n) so alles schön findet haben da vor allem die Betschwestern im Visier. Transplantierte, „gelüftete“ Damen nämlich, mit dem Mund von Marylin bitteschön, und beim Rest dann „oben etwas drauf, unten weg, das saugen wir dann ab“. Oder die 62-jährige Braut, die sich vier Eier gekauft hat, „denn man möchte ja schon was eigenes haben“, musikalisch umschmückt von einem „Silikon-Song“.

Wenn sie solche Themen auf die Bühne bringen, dann hat das für sie schon einen Agitprop-Charakter, meinen die Schwestern Lisa Harms und Gerlinde Schock. Seit sieben Jahren wüten sie bereits vor sich hin, eigentlich als Vierer-Team, doch zwei der Schwarzen Schwestern sind gerade im Schwangerschaftsurlaub. Derbes, politisches Kabarett zu machen, ist jedoch nicht ihr Anspruch; ihre Themen seien ja doch „die allgemeineren“: „Wir stecken alle in sozialen Berufen. Ist doch klar, daß wir das typische Helferinnensyndrom mit uns rumschleppen“, sagen sie. Im Kabarett, da können sie dann endlich mal außer Kontrolle geraten. Für die gleichsam betroffenen Erzieherinnen-Engelchen heißt das ganz trocken: „Scheiß auf die Pädagogik, jetzt wird nur noch rumgebrüllt.“

Manchmal brauche man im Kindergarten wirklich göttliche Kraft, stöhnt das Engel-Quintett, das nach zwei Jahren Anlaufzeit heute seinen ersten öffentlichen Auftritt hat. Die Kids, die liefern ihnen ja fast schon Realsatire pur, mit all ihren Computerspielen und Konsumsüchten. „Wir wollen da zwar keinen Zeigefinger erheben, aber auf manche Auswüchse wollen wir schon hinweisen.“ Entertainerin Corina Reimann etwa lockt die fernsehgeilen Kleinen zur „Hortmobilshow“ aufs Parkett: Carola Sperling, hier 8 1/2, aus der Neustadt, gesponsert von MacDonalds, und Chris Vogel aus Walle, gesponsert von der Sparkasse, die ganze Chose von Karstadt –, ja was wohl.

Das hat ganz eigenwilligen Schmackes, und den Frauen ist anzumerken, daß sie auch ihren Spaß haben wollen, und die Bühnenbretter für sie alles andere als eine Klagemauer darstellen. Kabarettspielen soll für sie Hobby bleiben, eines, bei dem sie mal so richtig ablassen können. Und feministisch ist es für sie schon dadurch, daß sie sich unter sich Frauen einfach wohlfühlen. „Auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen kommen – wir haben zwei Mütter, eine Verheiratete, eine Noch-Verheiratete, Ledige mit und ohne Kind, and so on.“ Silvia Plahl

„Die Schwarzen Schwestern“ und „Die Erzengel“ unter der Regie von Gabi-Grete Kellerhoff spielen heute in der Angestelltenkammer, Bürgerstr. 1, um 20 Uhr.

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