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Nördlicher Ausflug ins Wende-Schloß

■ Dammsmühle vor der Haustür / Marx und Lenin im Hotelempfang verloren

Für solche, die im Norden Berlins residieren, liegt Schloß Dammsmühle quasi vor der Haustür. Nicht so spektakulär vielleicht wie Sanssouci am anderen Ende der Metropole. Dafür nah genug für einen spontanen Halbtagsausflug in die Wälder und – Achtung! – den Sumpf. Anreise per S 10, Station Mühlenbeck-Mönchsmühle (nur fünf Halte von Schönhauser Allee) und Bus 806 in das Städtchen Summt. Oder besser mit dem Fahrrad, denn die Busse fahren im Postkutschentakt.

Wie auch immer: Der Wanderweg beginnt in Summt. Nach dem Bushalt „Summt, Secura“ zweigt rechts von der Hauptstraße der Dammsmühler Weg ab. Nach 600 Metern hat man das „Fischerhaus Summt“ passiert und taucht ein in den Wald. Jedem und jeder sei sein/ihr persönlicher Weg zwischen hohen Buchenstämmen gegönnt, an Kiefern und Föhren entlang. Müßig ist eine Beschreibung des Pfades, denn der Gabelungen sind zu viele und Markierungen fehlen. Es scheint, zuletzt führen alle Wege nach Schloß Dammsmühle – oder in den Morast.

Nach einer Stunde etwa fallen Überbleibsel des Zaunes auf, der den Park des Schlosses einmal umfaßte. Zum großen Schloßteich heruntergestiegen, führt der Uferpfad zum Anwesen. Seine Chronik ist wechselhaft und typisch brandenburgisch. Preußens Adelige stehen in seinen Annalen. Napoleon war als Schlafgast hier. Gutsherr Wollank baute es zum Schloß um. Darin, so die deutsche Wendegeschichte, ließen es sich die Nazis wohlergehen. Der Stasi verdankt das Schloß sein drittes Stockwerk. Außerdem gehören die Werke Marx' und Lenins zum Mielkeschen Nachlaß. Heute stehen sie etwas verloren im Empfang des Hotels Dammsmühle herum.

Drinnen erschreckt muffiges Interieur. Die Preise sind nicht gemacht für junge Intellektuelle, eher für die Betuchten mit den Diplomen der Vor-68er-Zeit. Doch bei schönem Wetter steht im Park eine Schenke zur Verfügung. Picknickplätze bieten sich an. Ob die vor der Terrasse lagernden Ruderboote im Sommer zum lauschigen Tête-à-Tête auf dem Schloßteich verliehen werden?

Der vorletzte Bus zur S-Bahn verläßt Summt um 17.14 Uhr, wer den versäumt, darf den Summter See nochmals umrunden, bis um 18.54 Uhr der „Nachtbus“ um die Kurve biegt. Ruth Singer

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