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„Mit dem Rücken zur Wand“

■ Rita Süssmuth bei der Bremer CDU-Frauen-Union: für Quote und soziale Umverteilung

„Auch wenn junge Frauen sich in der Schule und an der Universität nicht benachteiligt fühlen, werden sie spätestens im Berufsleben merken, daß Tüchtigkeit allein nicht reicht, daß andere Faktoren eine Rolle spielen.“ – Rita Süssmuth ging es ganz und gar nicht um Heim und Herd, als sie am Samstag auf dem Landesdelegiertentag der Bremer Frauen-Union zum Thema 'Junge Frauen und die CDU' sprach. Vielmehr forderte Querdenkerin Süssmuth vor über 100 Bremer CDU-Frauen neue gesellschaftliche Modelle, um Arbeitslosigkeit, sozialer Not und Frauendiskrimierung entgegenzuwirken.

Neue Ideen tun in der CDU-Frauenpolitik in der Tat Not. Denn nur 11 bis 12 Prozent der Frauen zwischen 18 und 30 Jahren wählten bei den letzten Wahlen in Hamburg und Niedersachsen konservativ, während über 70 Prozent der weiblichen Wählerschaft ihre Stimme für SPD und Grüne abgaben. Darüber hinaus sind die Verluste der CDU bei den Frauen besonders stark. Nur bei den über 50jährigen können die ChristdemokratInnen auf satte weibliche Mehrheiten vertrauen.

Die Ursachen für diese aus CDU-Sicht traurige Bilanz liegen laut Süssmuth in der verfehlten Frauenpolitik der Partei. Frauen interessierten sich für konkrete und projektbezogene Politik: „Frauen wollen keinen anonymen Apparat, sondern kleine Gruppierungen ohne hierarchische Muster.“ Gerade weil politisch engagierte Frauen sich immer gegen das Auseinanderdividieren von Lebensbereichen eingesetzt haben, ärgert die Bundestagspräsidentin eines besonders: „Frauen haben das Konzept der Ganzheitlichkeit vorgedacht und wurden als romantische Spinnerinnen abgetan. Und jetzt schreiben Männer dicke Wälzer darüber!“

In Zeiten der Rezession ist es um die Situation der Frauen besonders schlecht bestellt. „Es entwickelt sich zurück und nicht nach vorn“, meint Süssmuth, „in der Politik stehen wir Frauen mit dem Rücken zur Wand“. Deshalb sparte die Bundesvorsitzende der christdemokratischen Frauenunion nicht mit Schelte für die eigene Partei. Zum Beispiel: „Wir schaffen immer abschreckendere Beispiele im Bereich der Kinderbetreuung.“

Um Familie wieder lebbar zu machen und sich den weiblichen Lebensrealitäten zu stellen, will Süssmuth neue Beschäftigungsmodelle erdenken. 'Teilzeitarbeit' heißt hier die Zauberformel; wenn weniger Arbeit nicht auch weniger Rente und Arbeitslosengeld bedeuten oder die Karriere behindern würde, könnten Frauen und Männer in allen Bereichen neue Wege in Beruf und Familie gehen. Teilzeitarbeit, so der Gast aus Bonn, sei erwiesenermaßen nicht nur familienfreundlicher, sondern auch produktiver.

Um mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geht es Süssmuth auch bei der Frauenförderung. „Niemand hat mit einer Quote von 90 Prozent bei den Männern Schwierigkeiten“, so die streitbare CDU-Politikerin, „die Frauenförderung im Programm der CDU kann nicht länger als unverbindliche Empfehlung formuliert werden“. Und zu guter letzt gab Frau Süssmuth den Bremer Parteigenossinnen noch einen guten Rat im Umgang mit dem männlichen Parteiklüngel mit auf den Weg: „Wir müssen uns die männlichen Strukturen und das männliche Denken aneignen, sonst kommen wir keinen Schritt weiter. Aber dabei sollten wir das Eigene nicht aufgeben.“

Am Vormittag war Ulrike Schreiber mit großer Mehrheit zur Vorsitzenden der Bremer Frauen-Union wiedergewählt worden. Sie sprach sich für eine größere Unabhängigkeit der Gleichberechtigungsstelle ZGF vom Ressort Arbeit und Frauen aus - letzteres solle zudem besser in andere Ressorts eingegliedert werden, so Schreiber . Silke Mertins

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