■ Dänische Regierung nimmt Drohung auf Schließung zurück: Christiania mal wieder gerettet
Kopenhagen (taz) – Der Kopenhagener Freistaat Christiania kann sich langsam schon mal auf seinen 25jährigen Geburtstag vorbereiten. Am Freitag hob die dänische Regierung in aller Form die vorläufig letzte Drohung auf Schließung des 1971 besetzten ehemaligen Kasernengeländes inmitten der Hauptstadt auf. Es spreche alles dafür, daß die BewohnerInnen des Freistaats bereit und in der Lage seien, die Selbstverwaltung zufriedenstellend zu lösen und die gegenüber den Behörden eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, ist das überraschende Fazit eines von Regierung und Parlament bestellten Untersuchungsberichts des Verteidigungs- und Justizministeriums.
Das nach wie vor formal für das Gelände zuständige Verteidigungsministerium lobt: „Alle Rechnungen sind pünktlich bezahlt worden, ein sehr großer Teil der ohne Erlaubnis errichteten Gebäude ist bereits wieder entfernt worden. Die Vereinbarungen mit uns werden im wesentlichen erfüllt.“ 1991, im Gefolge der letzten ernsthaften Drohung der Behörden, Christiania dichtzumachen, war ein regelrechter Vertrag zwischen der Selbstverwaltung des Freistaats und dem dänischen Staat geschlossen worden, in dem sich Christiania verpflichtet hatte, für Strom, Wasser und Müllabfuhr zu zahlen, die verschiedenen Restaurants und Cafés behördlicher Kontrolle zu unterwerfen.
„Normal werden wir zwar nie werden“, vermutet Ole Lykke, Mitglied der Selbstverwaltung, „aber offenbar schafft man es, uns immer gesetzestreuer zu machen.“ Tatsächlich gingen die vorläufig letzten schweren Ungesetzlichkeiten eher von der Polizei aus, die in den letzten beiden Jahren mit ihren Hasch-Razzien zeitweise bürgerkriegsähnliche Zustände in Christiania heraufbeschwor. Erst seit diese Razzien mit bis zu 100 bewaffneten PolizistInnen eingestellt worden sind, ist wieder Ruhe eingekehrt. Die Sicherheitskräfte sind zu ihren normalen Patrouillengängen zurückgekehrt und werden dabei traditionell ihrerseits von ChristianiterInnen „bewacht“.
Bleibt als einziger Kritikpunkt des offiziellen Untersuchungsberichts das „Hasch-Problem“. Hier herrscht Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Die Hasch-Dealer sind trotz ihres aufsehenerregenden fünftägigen Streiks ihrem Ziel, einer Legalisierung des Verkaufs innerhalb der Grenzen Christianias, nicht näher gekommen. Und die Polizei kann ihrerseits einen Stopp des Handels nicht durchsetzen. Von Beginn des Bestehens an war in Christiania Haschisch offen verkauft und in den Cafés geraucht worden. Ihr plötzliches Eingreifen begründet die Polizei mit einem sprunghaften Anwachsen des Handels. Eine Behauptung, die in Christiania bestritten wird.
Daß das ungelöste Haschischproblem für die Regierung kein Grund war, Christiania weiterhin mit Schließung zu drohen, ist für viele FreistaatlerInnen ein Zeichen einer sich anbahnenden Meinungsänderung. Dazu beigetragen hat auch, daß Justizminister Erling Olsen die angesichts des Pusher- Streiks herbeigeeilten internationalen MedienvertreterInnen mit einem Besuch Christianias überraschte. Nach einer Mitgliederversammlung in seinem Parteidistrikt tauchte er ohne Bodyguards im Gefolge seiner sozialdemokratischen GenossInnen im Freistaat auf, um dort im „Spiseloppen“, wo zum Nachtisch gewöhnlich gern ein kleiner Joint geraucht wird, zu Abend zu essen. So als ob dies die normalste Sache der Welt sei. Die Hoffnung auf eine baldige Entkriminalisierung des Haschisch- Kleinhandels und eine Legalisierung einheimischen Hanfanbaus noch vor dem Silberjubiläum ist in Christiania daher durchaus noch nicht dahin. Reinhard Wolff
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