: Städtische Chefärzte sahnen Millionen ab
■ 150 Chefärzte kassierten 38,3 Millionen Mark Nebeneinkünfte / Bernd Köppl (Grüne) fordert Obergrenze
Die Behandlung von Privatpatienten beschert den Chefärzten an den städtischen Krankenhäusern zuweilen Nebeneinkünfte, die ihr Jahresgehalt von 120.000 Mark weit übersteigen. Im Jahr 1992 nahmen 150 Chefärzte durch sogenannte Privatliquidationen 38,8 Millionen Mark ein. Die 118 Chefärzte an den Unikliniken erzielten im gleichen Jahr 40 Millionen Mark Nebeneinkünfte. Nur ein kleiner Teil dieser Einnahmen fließt als Nutzungsentgelt an die Kliniken zurück: 15,3 Millionen führten die Chefärzte 1992 an die städtischen Krankenhäuser ab.
Zuwenig, findet Bernd Köppl, der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, durch dessen kleine Anfrage die Zahlen publik wurden. Köppl schlägt deshalb vor, eine Kappungsgrenze für Privatliquidationen einzuführen. Wer mehr als 250.000 Mark einnimmt, soll die darüber hinausgehenden Beträge an das Krankenhaus abgeben.
In einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses probten die eingeladenen Chefärzte den Aufstand: „Warum sollen wir nicht soviel verdienen wie Tennis-As Michael Stich?“ hieß es. Ein Chefarzt drohte gar damit, nach Saudi-Arabien abzuwandern. Dennoch macht Bernd Köppl im Wissenschaftsausschuß eine „Bereitschaft“ aus, „ernsthaft darüber nachzudenken, den Mißstand nicht länger hinzunehmen“. Nachdem sein Antrag dort sechs Monate vor sich hinschmorte, wird im Ausschuß am kommenden Montag darüber abgestimmt, ob eine Kappungsgrenze für Privatliquidationen an Unikliniken eingeführt wird. Dann käme auch Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) in Zugzwang.
Luther, von Hause aus Immunologe, zeigt bislang wenig Neigung, den Chefärzten ins Portemonnaie zu greifen. Getreu dem Motto „Leistung muß sich lohnen“ sei es „Sache der Krankenhäuser“, von den Chefärzten ein angemessenes Nutzungsentgelt zu verlangen, erklärte sein Pressesprecher Ulf Hermann. Man begrüße jedoch, daß sich durch die Gesundheitsreform die Nebeneinkünfte der Chefärzte verringerten. Die zehnprozentigen Einbußen treffen allerdings nur diejenigen, die nach dem 1.1. 94 berufen werden.
Da die Nebeneinkünfte der Chefärzte an den städtischen Krankenhäusern in den letzten drei Jahren um fast zehn Millionen – also 33 Prozent – gestiegen sind, dürfte dies wohl zu verschmerzen sein.
Die Sprecherin des Wissenschaftssenators, Monika Grütters, verwies darauf, daß Privatliquidationen durch bundesweites Recht geregelt seien. Falls das Land Berlin im Alleingang eine allgemeine Kappungsgrenze einführe, würden hochkarätige Mediziner kaum noch Berufungen in Berlin annehmen. Wissenschaftssenator Erhardt halte eine Kappungsgrenze zudem für verfassungswidrig.
Der öffentlichen Hand geht jedenfalls eine Menge Geld durch die Lappen: Wenn eine Kappungsgrenze eingeführt würde, hätten die städtischen Krankenhäuser jährlich 20,8 Millionen Mark mehr in der Kasse. Dorothee Winden
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