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Erneut bildet sich in Sachsen-Anhalt eine große Koalition der Abzocker

■ Landtagsfraktionen in Magdeburg genehmigten sich üppige Zuschüsse / Funktionszulagen zahlt die Landeskasse

Magdeburg (taz) – Geht es um Kohle, dann kennen die Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt bekanntermaßen keine politischen Unterschiede. Von ganz rechts bis ganz links stecken die parlamentarischen Parteifilialen die Hände ziemlich tief in die Landeskasse.

Die Summen, die dabei zusammenkommen, können sich sehen lassen: 55.000 Mark kassiert jede Fraktion monatlich zunächst einmal als Sockelbetrag. Pro Abgeordneten gibt's noch einmal 3.300 Mark drauf, und weil die Opposition nicht so üppig wie der Regierungsapparat ausgestattet ist, gibt's für sie noch einen Zuschlag in Höhe von 25 Prozent.

„Das ist aber noch längst nicht alles“, flucht der fraktionslose Abgeordnete Jürgen Angelbeck, der sich deswegen keine solche Wohltat gönnen kann. Zusätzlich kassieren die Fraktionen noch die eine oder andere Mark extra für Dienstfahrten im Auftrag der Fraktion. Alles in allem eine Summe von über acht Millionen Mark, hat Angelbeck ausgerechnet. An anderer Stelle jedoch zeigt man sich ausgesprochen knauserig. Quer durch alle politischen Lager lief die Mehrheit, mit der im Abgeordnetengesetz die Bezahlung der Funktionszulagen geregelt wird. So bekommt ein Fraktionsvorsitzender einen Zuschlag von 100 Prozent seiner Grunddiäten, 60 Prozent mehr gibt's immerhin für parlamentarische Geschäftsführer, und selbst die Vorsitzenden der Fraktionsarbeitskreise kassieren noch einen zwanzigprozentigen Zuschlag. „Und das alles aus der Landeskasse“, regt sich Angelbeck auf.

Andere Länder, andere Sitten: Zwar bekommen auch die Fraktionen zum Beispiel in Baden-Württemberg oder Brandenburg üppige Zuschüsse, die Zulagen ihrer Funktionäre müssen sie dann aber aus der eigenen Kasse zahlen. „Ob sie ihrem Voritzenden 50 oder 100 Prozent Zulage zahlen, bleibt den Fraktionen selbst überlassen“, sagt Jürgen Itzfeld, Pressesprecher des Landtages in Potsdam. „Rechenschaft darüber müssen sie nur dem Landesrechnungshof ablegen.“ Damit das Zubrot für ihre Chefs die Fraktionen nicht allzu gewaltig in die Pleite treibt, haben sich die Potsdamer Abgeordneten einen Sockelbetrag genehmigt, der sogar noch um einiges höher ausfällt als in Sachsen-Anhalt. 71.440 Mark kassieren die Fraktionen als Sockelbetrag aus der Landeskasse, 25 Prozent Aufschlag gibt's für die Opposition, und für jeden Abgeordneten kassieren die Kassenwarte der Fraktionen noch einmal 3.174 Mark.

Erwartunggemäß schwäbisch sparsam ist da das baden-württembergische Musterländle. Vom Sockelbetrag von 67.255 plus 2.185 Mark pro Abgeordneten, zuzüglich 360 Mark je Abgeordnetem an Oppostionszulage müssen ebenfalls alle Zulagen der Fraktionshäuptlinge bezahlt wqerden. Und damit kommt das Ländle, das immerhin 40 Abeordnete mehr hat als Sachsen-Anhalt, mit einem Haushaltsansatz für die Fraktionskostenzuschüsse aus, der nur unbedeutend über dem von Sachsen- Anhalt liegt.

Nur zahlen die Baden-Württemberger aus diesem Haushaltsansatz eben auch Kosten, die sich die Sachsen-Anhaltiner aus der Landeskasse zusätzlich finanzieren lassen.

Ein einnehmendes Wesen gehört in Magdeburg eben fast schon zum guten politischen Ton. Eberhard Löblich

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