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BGH: Kein „Freispruch“ für den NPD-Chef Deckert

■ Leugnen der Gaskammermorde kann auch als Volksverhetzung strafbar sein / Notwendig ist aber eine Identifikation mit der NS-Rassenideologie

Karlsruhe (taz) – Der Bundesgerichtshof (BGH) wehrte sich am Mittwoch per Presseerklärung gegen das Mißverständnis, er habe den NPD-Vorsitzenden Deckert „freigesprochen“. Die Karlsruher Richter betonten, daß sie nicht nur der Revision des Angeklagten stattgaben, sondern auch einem Aufhebungsbegehren der Staatsanwaltschaft entsprachen. Diese hatte eine höhere Strafe für Deckert verlangt. Anlaß der BGH- Erklärung war die Vorlage der schriftlichen Begründung des Mitte März ergangenen Urteils, mit dem das höchste deutsche Strafgericht eine Verurteilung Deckerts durch das Landgericht Mannheim aufhob. Die Vorinstanz hatte auf eine einjährige Bewährungsstrafe unter anderem wegen Volksverhetzung erkannt.

Deckert hatte 1991 einen Vortrag des amerikanischen „Hinrichtungsexperten“ Fred Leuchter übersetzt, der mit der Behauptung hausieren geht, er könne wissenschaftlich nachweisen, daß es in Auschwitz keine Gaskammern gegeben habe. Während der Übersetzung hatte Deckert zustimmende Bemerkungen gemacht.

Weil das Strafgesetzbuch für eine Verurteilung wegen Volksverhetzung einen „Angriff auf die Menschenwürde“ voraussetzt, kann Deckert nach Ansicht des BGH nur dann nach diesem Paragraphen verurteilt werden, wenn er den angegriffenen Personen „das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertige Wesen behandelt“ hat. Die „bloße“ Leugnung des Holocaust reicht nach Ansicht des BGH hierfür noch nicht aus. Das Gericht verwies auf seine bisherige gleichlautende Rechtsprechung. Jedoch kann das einfache Bestreiten der Gaskammermorde als „Beleidigung“ oder als „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ bestraft werden. Darauf wies der BGH ausdrücklich hin, da der Schutz der Ehre von Juden auch die Anerkennung ihres besonderen Verfolgungsschicksals erfasse.

Bei der strikten Unterscheidung zwischen der mit bis zu fünf Jahren Haft geahndeten Volksverhetzung und der milder bestraften Beleidigung sahen sich die Karlsruher Richter auch in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber. Gerade weil das einfache Bestreiten der systematischen Judenvernichtung nicht als Volksverhetzung strafbar sei, habe der Bundestag 1985 für solche Fälle die Bestrafung wegen Beleidigung (durch Verzicht auf das Erfordernis eines Strafantrags) vereinfacht.

Als Volksverhetzung ist das Leugnen des Holocaust also weiterhin nur dann strafbar, wenn der Täter gleichzeitig seine Mißachtung von Juden als „minderwertige Wesen“ ausdrückt, etwa durch eine Identifizierung mit der NS- Rassenideologie. Wie dies konkret im Falle Deckert geschehen sei, habe das Landgericht allerdings deutlich machen können. Dies ist nach Auffassung des BGH der „wesentliche Mangel“ des Mannheimer Urteils. Das Landgericht hatte Deckerts inkriminierten Auftritt nur pauschal zusammengefaßt. Danach habe er die Judenvernichtung dargestellt als eine von Juden eigennützig erfundene Lügengeschichte zum Zwecke der Ausbeutung und Knebelung Deutschlands. Daß hier eine Volksverhetzung vorläge, wenn der Angeklagte sich im Rahmen der Veranstaltung tatsächlich so geäußert hätte, daran ließ der BGH „keinen Zweifel“. Doch konkrete Belege hierfür vermißte er im Mannheimer Urteil. Das Landgericht habe nur angeführt, daß sich zustimmende Kommentare Deckerts auf die Propagierung des „Revisionismus“ bezogen hätten. Damit allein kann aber nach Ansicht des BGH von einem Angriff auf die Menschenwürde anderer noch nicht die Rede sein.

Als Tip für die Neuverhandlung zeigte der BGH, wie großzügig er in dieser Frage zu sein gedenkt. Selbst bestimmte „Gesten“ Deckerts oder die „Betonung einzelner Passagen durch Stimmlage oder Lautstärke“ hätte man als Hinweis auf eine menschenverachtende Grundhaltung des NPD- Mannes ausreichen lassen. Eine detailliertere Würdigung des Verhaltens Deckerts muß nun eine andere Kammer des Mannheimer Landgerichts vornehmen.

Eindeutig hinter die Vorinstanz stellte sich der BGH bei einer weiteren Urteilsrüge Deckerts. Dieser hatte bemängelt, daß die Mannheimer Richter mehrere Beweisanträge abgelehnt hatten, mit denen Deckert die Richtigkeit der Thesen Leuchters belegen wollte. Weil die Massenvergasung von Juden in Konzentrationslagern „offenkundig“ ist, sei die Ablehnung dieser Beweisanträge jedoch zulässig gewesen. Christian Rath

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