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„Jahrhundertwahlen“ mit bitterem Nachgeschmack

■ El Salvador: Morgen Stichwahl zwischen Rubén Zamora und Armando Calderón

San Salvador (taz) – Im Wahlkampfzentrum des Kandidaten Rubén Zamora herrscht gedrückte Stimmung. Auch die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in El Salvador wird voraussichtlich nicht ohne Schwindel abgehen. Auf Druck der UNO-Beobachtermission Onusal hat das Oberste Wahltribunal zwar einige der Unregelmäßigkeiten korrigiert, die den Wahlgang vom 20. März geprägt hatten, doch Onusal-Chef Rafael Lopez Pintor befand die Änderungen am Donnerstag für „unzureichend“. Auch am kommenden Sonntag, wenn der Favorit der rechten Regierungspartei Arena, Armando Calderón Sol, gegen den Kandidaten der Linkskoalition, Rubén Zamora, antritt, werden über hunderttausend Wähler von der Stimmabgabe ausgeschlossen sein. Die „Jahrhundertwahlen“, die einen Schlußstrich unter zwölf Jahre Bürgerkrieg ziehen und den Beginn einer neuen Gesellschaftsordnung markieren sollten, hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack.

Obwohl Calderón Sol, der im März mit 49 Prozent die absolute Mehrheit nur um Haaresbreite verfehlte, sich um die zweite Runde wenig Sorgen machen muß, bot Arena der FMLN den einflußreichen Posten des Parlamentspräsidenten und den des Rechnungshofchefs an, wenn sie auf die Stichwahl verzichtete. Und Calderón sah sich bemüßigt, im Wahlkampf ein deutliches Bekenntnis zur Erfüllung der Friedensverträge und damit zu einem Demokratisierungsprozeß abzulegen, den er einst als Parteichef nicht unterzeichnen wollte.

Gleichzeitig startete Arena erneut eine große Wahlpropaganda in den Medien. Der geballten Wirtschaftsmacht der Regierungspartei, deren Freunde sich für die Politik im Interesse der Großunternehmer mit großzügigen Wahlspenden erkenntlich zeigten, hatte die Allianz der ehemaligen Guerillafront mit der „Demokratischen Konvergenz“ Rubén Zamoras und der sozialdemokratischen MNR wenig entgegenzusetzen. So diskutierte das Linksbündnis bis zur Vorwoche, ob es sich überhaupt lohnte, zur zweiten Runde anzutreten. Rubén Zamora hatte mit 24,9 Prozent gerade halb so viele Stimmen bekommen wie der Regierungskandidat, und die Christdemokraten als dritte Kraft hatten eine informelle Vereinbarung gebrochen und ihren Wählern keine Empfehlung für Zamora gegeben. Eine vernichtende Niederlage würde die Basis, die über das schlechte Abschneiden bei den Gemeindewahlen enttäuscht ist, noch mehr deprimieren, argumentierten die einen. Ein gutes Ergebnis könnte der künftigen Regierung Zugeständnisse entlocken, meinten die anderen. Außerdem zwinge die Teilnahme auch die Wahlbehörde, ihre gezielten Schlampereien von der ersten Runde zu korrigieren.

Und tatsächlich konnten etwa 20.000 Bürger im vergangenen Monat ihre bisher zurückgehaltenen Wahlausweise abholen. Doch die verlorengegangenen Stimmen sind nicht mehr zu retten. FMLN- Politiker schätzen, daß sie der Betrug 20 bis 30 Prozent gekostet hat. Das mag zu hoch gegriffen sein, doch in vielen Gemeinden verlor die FMLN um weniger als zehn Stimmen gegen Arena – durchwegs Ortschaften, wo Dutzende FMLN-Sympathisanten keine Ausweise bekommen hatten oder auf mysteriöse Weise aus den Wählerlisten verschwunden waren. Doch nachdem Onusal und fast alle internationalen Beobachter den Wahlen das Prädikat „akzeptabel“ aufgedrückt hatten, verzichtete die FMLN auf Anfechtung. Ralf Leonhard

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