piwik no script img

Ist der BGS in Lübeck ein rechtsradikaler Sumpf?

■ Bull: Ein Ausbilder ist Kopf des rechtsradikalen „Arbeitskreises für deutsche Politik“

Der Bundesgrenzschutz (BGS) in Lübeck ist offenbar eine Anlaufstelle für Rechtsradikale. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Peter Bull erklärte bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts, daß der Vize-Chef der 2. Hundertschaft des Grenzschutzkommandos Küste I, Thomas Schröder, als Kopf eines „Arbeitskreises für deutsche Politik“ (AfdP) fungiere. Der Arbeitskreis sei seit 1991 Sammelbecken für Rechtsradikale und begleite „besonders engagiert Parteigründungen unter dem Vorzeichen einer nationalen Sammlungsbewegung“.

Doch was in der Öffentlichkeit als „Überraschung“ ( Hamburger Abendblatt) präsentiert wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Bereits im November 1990 machte die „Junge Gruppe“ der Gewerkschaft der Polizei anläßlich der Vereidigung junger BGS-Beamter auf die „rechtsextremistische Unterwanderung“ des Lübecker BGS aufmerksam: Thomas Schröder war zu diesem Zeitpunkt Vize-Landeschef der rechtsradikalen Republikaner (Reps) und im Bundesvorstand der rechtsradikalen Partei. Zusammen mit seinen BGS-Hundertschaftskollegen, dem Zugführer Reinhard Mendig, dem Hilfslehrer Peter Jürgensen und dem Gruppenführer Frank Brodius, hatte er damals bei den Landtagswahlen auf der Reps-Landesliste kandidiert.

Gegen Schröder war Ende der achtziger Jahre ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil bei ihm im Keller Neonazi-Schriften gefunden worden waren: Unter anderem das „Wörterbuch des Nationalsozialismus“ und die „Auschwitzlüge“ sowie Aufkleber „Ich bin stolz Deutscher zu sein.“

Das Verfahren wurde damals vom Bonner Innenministerium eingestellt, weil Schröder angegeben hatte, sich im Rahmen seiner Ausbildertätigkeit auch mit derartigen Schriften auseinandersetzen zu müssen. Unter den jungen BGSlern, die Schröder auch in Demonstrations- und Asylrecht schulte, galt er als strammer Rep-Funktionär. Immer wieder machten Rep-Pamphlete in der BGS-Schule die Runde – teilweise sogar in Dienstmappen. Gegenüber der Zeitschrift „Tempo“ erklärte Schröder unverhohlen: „Ein Drittel der BGS-Beamten unterstützt die Republikaner – als Mitglied oder durch Spenden.“ Nach taz-Informationen verließ Schröder 1992 die Reps wegen parteiinterner Querelen – seiner Gesinnung blieb er allerdings treu.

Obwohl Hans-Peter Bull Bundesinnenminister Manfred Kanther nicht explizit über die Umtriebe des BGS-Führers informiert hat, geht der norddeutsche Landesinnenminister davon aus, daß die Bonner Zentrale über Schröder informiert ist. Bull: „Ich bin nicht der Sittenwächter des BGS.“ In der Tat ist Bonn informiert. Mehrfach hat in den vergangenen Jahren die „Junge Gruppe“ die diversen Bundesinnenminister zum Handeln aufgefordert. Denn jährlich würden rund 3500 junge BGS-BeamtInnen die Lübecker Grenzschutzschule durchlaufen, die dort dann mit rechtsradikalem Gedankengut ihrer Vorgesetzten konfroniert würden. Bull an die Adresse Bonns: „Es ist nicht unsere Aufgabe, beamtenrechtliche Schritte vorzubereiten.“ Die BGS-Führung prüft aufgrund des Verfassungsschutzberichts derzeit, ob gegen Schröder nunmehr ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Denn im Gegensatz zu offiziellen BGS-Verlautbarungen, so Wolfgang Wirth, Chef des BGS-Grenzschutz-Kommandos, sei Schröder niemals in den administrativen Dienst versetzt worden, sondern erfülle noch heute seine Aufgaben als Zugführer und Ausbilder. Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen