: Clinton will in der Geldpolitik mitreden
■ Zwei Führungsposten in der US-amerikanischen Notenbank müssen neu besetzt werden. Der Präsident hat einen Mann aus seinem eigenen Beraterstab und eine liberale Volkswirtin aus Berkley nominiert
Washington (dpa/taz) – Bill Clinton ist den Zinstreit mit dem Notenbank-Chef Alan Greenspan leid. Am Freitag benannte der Präsident seine Kandidaten für zwei freigewordene Posten an der Spitze der amerikanischen Zentralbank. Vizechef der obersten Währungshüter, die seit Beginn dieses Jahres die kurzfristigen Zinsen bereits dreimal um je einen Viertelprozentpunkt auf 3,75 Prozent angehoben haben, soll das Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrats des Präsidenten, Alan Blinder, werden, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses. Die zweite Vakanz im Zentralbankrat soll durch die Volkswirtschaftlerin Janet Yellen von der kalifornischen Universität Berkeley geschlossen werden.
Die Rücktritte des früheren Vize-Notenbankchefs David Mullen und des Direktoriumsmitglieds Wayne Agnell haben dem Präsidenten eine einmalige Chance eröffnet. Mitten in der immer schärfer geführten Debatte über den wirtschaftspolitischen Kurs der USA kann der Präsident entscheidenden Einfluß auf die Politik der Notenbank nehmen – die Leitung der Bank war in den letzten zwölf Jahren von republikanischen Präsidenten bestimmt worden.
Clintons KandidatInnen gelten als Liberale. Ihnen gehe ein Ruf voraus, der nahelege, daß beide „ein wenig mehr Betonung als ihre Vorgänger auf eine Steigerung des kurzfristigen Wirtschaftswachstums statt auf die Bekämpfung der Inflation legen“, schrieb die New York Times am Samstag. „Es werden zwei Inflationsfalken für zwei Tauben ausgetauscht, die zu einer etwas lockereren Geldpolitik neigen könnten“, sagte der Ökonom Stephen Roach am Wochenende. Nach der Zinssteigerung seit Jahresbeginn, die auch die für die Wirtschaftsentwicklung wichtigen Zinsen „am langen Ende“ in die Höhe trieb, halten Beobachter jetzt mittelfristig eine leichte Korrektur der Geldpolitik für denkbar. In dem siebenköpfigen Direktoriumsgremium der Notenbank und – wichtiger – dem die Geldpolitik bestimmenden „Offenmarktausschuß“ befinden sich die beiden vorerst in der Minderheit.
Zwar wollten Blinder und Yellen sich beide nicht zu den jüngsten Zinsanhebungen – den ersten seit fünf Jahren – äußern. Yellen machte jedoch klar, daß sie einen pragmatischen Kurs vertrete. Clinton selbst nannte Blinder, bislang Mitglied im Nationalen Wirtschaftsrat des Präsidenten, das „wirtschaftliche Gewissen“ seiner Regierung. Der 48jährige habe „immer danach gestrebt, sicherzustellen, daß unsere Politik den Test der Vernunft und Durchführbarkeit für die Leute auf der Straße besteht“.
Die Nominierungen müssen noch vom Senat bestätigt werden. Blinder versuchte schon mal, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine Überhitzung der amerikanischen Wirtschaft und damit ein weiterer Preisauftrieb seien auch bei lockerer Zinspolitik nicht zu befürchten. Blinder erwartet nicht, daß die US-Wirtschaft in diesem Jahr den Schwung von real sieben Prozent wie im 4. Quartal 1993 halten kann. Über das Jahr werde sich die Zunahme auf ein Plus von drei Prozent einpendeln. nh
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