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Bukac spürt den Druck

■ Eishockey-WM: Nach dem 2:2 gegen Österreich übt sich Bundestrainer im Schönreden

Aus Bozen Peter Unfried

„Ich bin sehr zufrieden“, hat Bundestrainer Ludek Bukac eilig nach dem 2:2 gegen Österreich zum WM-Auftakt erklärt und ist dabei bemüht gewesen, ein Gesicht zu machen, das von jener Zufriedenheit Zeugnis geben sollte. Des Pragers eigenwillige Erklärung: „2:2 – das ist für die Zukunft mehr wert als ein 8:0!“ Das mag man glauben oder nicht. Tatsache ist, daß die deutsche Mannschaft in den vier Turnieren mit Bukac bisher stets eine blendende Vorrunde hatte, für die man sich im Viertelfinale dann nichts mehr kaufen konnte.

Im Play-off, wie der Co-Trainer Reindl gern plastisch formuliert, „haut's di entweder naus, oder du bleibst drin“. Für die DEB-Auswahl galt bisher stets ersteres. Allerdings: Das Erreichen des Viertelfinales wurde vor Turnierbeginn als selbstverständlich angesehen.

Nach dem Spiel im Bozener Palaghiaccio gegen den Olympia- Letzten sollte man nicht allzu euphorisch sein. Selbst wenn Ken Tylers Truppe „aggressiv, gut organisiert und stark in der Defensive“ war, wie Bukac beobachtete, heißt das noch lange nicht, daß die Österreicher eine gute Eishockeymannschaft hätten. Sie war aber gut genug, um mitzuhalten, und das ist das eigentlich Verdächtige.

Aber, sagt Ludek Bukac, der in dem Bestreben abzulenken, der Wahrheit ziemlich nahe kommen dürfte: „Der psychische Druck“, den man „von zu Hause“ verspüre, sei eben „groß“ gewesen. Das liegt nicht zuletzt daran, daß der langfristig planende Doktor getreu seiner Philosophie, neben den verletzten Hegen, Hiemer, Ustorf und dem unabkömmlichen New York Islander Uwe Krupp auf eine ganze Reihe Spieler mit vermeintlichem Kader-Abo verzichtet hat und statt dessen mit elf WM-Novizen nach Bozen gereist ist. „Viele sind auf bekannte Namen fixiert“, hat Bukac erläutert, „diese Mannschaft hat sich durch Leistung qualifiziert.“ Doch diese zu Beginn noch nicht nachweisen können. Braucht sie auch nicht, sagt ihr Vordenker. „Das hat nichts mit Leistung zu tun.“ Sondern? „Mit Psychologie“, glaubt Bukac. Und Charakter: „Charakter ist das Wichtigste, was wir haben.“

Charakter ist, wenn man gegen Österreich drei Minuten vor Ende in Rückstand gerät und zwei Minuten vor Schluß noch ausgleichen kann. Und die internationalen Qualitäten, über die er so gerne doziert? Disziplin, Spielintelligenz, vor allem Kreativität? Selbst im Überzahlspiel 5:3 fiel den Spielern wenig ein. „Wir brauchen noch ein bißchen professionelle Routine“, sagt Bukac und kriegt ganz rote Backen. Um besser einschätzen zu können, „was sinnvoll und was sinnlos ist“.

Thomas Brandl, der Kölner Center, ist einer, der das schon kann. Doch anderes überdurchschnittliches Personal? Wird schon noch, glauben die DEB-Trainer, die im letzten Drittel auf drei Sturmreihen umstellen und auch jene durcheinandermischen mußten, um wenigstens etwas Druck auf Österreichs Tor ausüben zu können. Da spielte der kräftige Jan Benda (Hedos München) plötzlich neben den Kölnern Brandl und Stefan, um, wie Bukac fand, „das einfache Element“ in die einzig höhere Spielkultur andeutende erste Reihe einzubringen.

Heute gegen Aufsteiger Großbritannien soll das so bleiben und müßte ein Sieg auch ohne taktisches Brecheisen herausspringen, doch morgen kommt Kanada, dann die Russen, und am Ende braucht man womöglich einen Sieg über Gastgeber Italien, um überhaupt ins Play-off zu hüpfen. „Die Spieler“, sagt Bukac, „wissen, was los ist.“ Bereits erneuter tabellarischer Stillstand, den die Trainer bisher gewieft als Entwicklungsfortschritt zu verkaufen wußten, wird den 58jährigen in Erklärungsnotstand bringen, zumindest gegenüber der Boulevard-Presse, die vollmundig das Halbfinale fordert. Und trotzig entschlossen scheint, so oder so, zu Schlagzeilen zu kommen. Also: Entweder – oder, im Zweifelsfall auf Kosten des introvertierten Eishockey-Weisen und – wenn es denn sein muß – des deutschen Eishockeys. Bukac weiß natürlich auch, was los ist: „Wir sind den Druck gewohnt“, sagt er, „und wir sind bereit, ihn zu übernehmen.“ Er und Reindl sehr wohl, das haben sie bewiesen, indem sie den riskanteren Weg gegangen sind und dieses Team zusammengestellt haben. Und die Spieler? Wille und Einsatz sind da, sagt Bukac, „wenn's psychologisch leichter wird, dann kann unsere Mannschaft auch spielen.“ Noch ist es nicht soweit.

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