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Im Harem

■ Heute startet die ARD-China-Reihe mit "Rote Laterne"

1988, ein Jahr vor dem Massaker auf dem Platz der Himmlischen Friedens, erhielt der chinesische Regisseur Zhang Yimou auf der Berlinale den Goldenen Bären für „Das rote Kornfeld“. Nur aufgrund dieser internationalen Reputation kann der Regisseur in seinem Heimatland überhaupt arbeiten. Sein 1991 gedrehter Film „Rote Laterne“ bildet nun den Auftakt einer ARD-Reihe mit chinesischen Spielfilmen, die alle nach dem Massaker von 1989 gedreht wurden. Ihr Spektrum reicht vom Historiendrama über die Actionkomödie bis zur sozialrealistischen Milieustudie und steht für eine künstlerische und politische Bilanz. Entstehen konnten diese Filme zum Teil nur als internationale Koproduktionen. In China sind sie wie „Die rote Laterne“ entweder teilweise oder – wie „Der blaue Drachen“ – total verboten.

Tian Zhungzhuangs bittere Abrechnung mit der maoistischen Politik von Stalins Tod (1953) bis zur Kulturrevolution (1966) dokumentiert, wie Filme zum Zankapfel internationaler politischer Auseinandersetzungen instrumentalisiert werden: Aus Protest gegen die Vorführung von „Der blaue Drachen“ verließ im vergangenen Herbst die chinesische Delegation geschlossen das Filmfestival von Tokio. Die Festivalleitung ließ es sich darauf nicht nehmen, dem „blauen Drachen“ den Hauptpreis zu verleihen.

Derartige Auszeichnungen sind ein Dorn im Auge der kommunistischen Apparatschiks, helfen aber den Filmemachern, sich künstlerisch zu behaupten. „Das heutige China“, so Zhang Yimou, „wird von einem starken Wandel geprägt, von einem Niedergang der Traditionen, die sich zu einem Teil noch auf die feudale und vorkommunistische Gesellschaft berufen.“ Die politische Brisanz seines Historienfilms „Die rote Laterne“ teilt sich dem europäischen Zuschauer nicht unmittelbar mit. Nur aus dem Verbot läßt sich schließen, daß die Geschichte der Konkubine Songlian auch das Überdauern feudaler Traditionen in der kommunistischen Diktatur aufzeigt.

Der „ehrwürdige Herr“ Chen ist der reiche Anführer eines Clans im China der zwanziger Jahre und hält sich standesgemäß einen Harem. Als „vierte Herrin“ kommt die 19jährige Songlian hinzu, die nach dem Tod ihres Vaters das Studium aufgeben mußte. Nach und nach lernt sie die bis ins Absurde verstiegenen Rituale des palastähnlichen Hauses kennen, die nur einen Zweck haben: dem Vergnügen des „ehrwürdigen Herren“ zu dienen.

Obwohl alles auf ihn zugeschnitten ist, bleibt der „ehrwürdige Herr“ selbst eine Art Schattenriß, ein lächerlicher Hampelmann, der kaum in Szene tritt. Die ganze filmische Aufmerksamkeit gilt den Launen der Damen. „Die rote Laterne“ erzählt alles andere als frivole Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Die Liebe ist ein hartes Brot. Hat der Pascha sich entschieden, bei welcher seiner vier Frauen er nächtigt, so wird ihr Gemach mit roten Laternen erhellt und ihre Fußsohlen mit rasselähnlichen Hämmerchen massiert. Das Geräusch schürt den Neid der konkurrenten Konkubinen, denn die Erwählte hat jetzt eine zeitlich begrenzte Vormachtstellung im Haushalt.

„Rote Laterne“ ist ein statischer Film. Kein einziger Blick übersteigt die Mauern dieses feudalen Labyrinths. Lange Einstellungen und stationäre Kamera unterstreichen das innere Gefängnis der Rituale und das äußere Gefangensein in einem goldenen Käfig. Wunderschöne Bilder konterkarieren die seelischen Grausamkeiten in diesem Puppenhaus des Psychoterrors.

Fortgesetzt wird die ARD- Reihe mit „Die Weissagung des Meisters“ von 1991, den Chen Kaige vor „Lebewohl meine Konkubine“ drehte. Es geht um einen blinden Sänger, der mit seinem ebenfalls blinden Schüler durch eine archaisch-vormythische Landschaft zieht. Der Glaube an die Weissagung, gemäß der er sein Augenlicht wiederbekommt, nachdem ihm die tausendste Saite seiner Laute gerissen sein wird, verleiht ihm die Würde eines Heiligen. Chen Kaige versteht es, den Glauben des Meisters immer wieder in wahrhaft magischen Bildern auszudrücken.

Als deutsche Erstaufführungen folgen „Geh' aufrecht“ von Huang Janxin, eine Komödie über Zeitgeist im heutigen China, und „Herbstmond“ von Clara Law, ein Film über die Amerikanisierung der chinesischen Kultur. Einen Höhepunkt bildet darauf die tempo- und actionreiche „Indiana Jones“-Persiflage „Der Krieger des Kaisers“, gedreht von keinem Geringeren als Ching Siu Tung („A chinese Ghost Story“). Den Abschluß der Reihe bilden Edward Yangs „Ein Sommer zum Verlieben“ und Tian Zhungzhuangs „Der blaue Drachen“. Manfred Riepe

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