■ Nicaraguas Armeechef Humberto Ortega tritt zurück
: Abwicklung eines Comandante

In den ersten Jahren der konservativen Regierung Chamorro garantierte der Verbleib des sandinistischen Generals an der Spitze des Heeres die politische Stabilität Nicaraguas. Ein Durchmarsch der extremen Rechten wäre ebenso ein direkter Weg in den erneuten Bürgerkrieg geworden wie eine Reformverhinderungsstrategie der SandinistInnen. Das „Übergangsabkommen“, das 1990 zwischen neuer und scheidender Regierung geschlossen wurde, sollte den Frieden sichern – und garantierte gerade deshalb das Weiterexistieren der „Sandinistischen Volksarmee“ (EPS).

Seinerzeit aufgebaut mit den ehemaligen Guerilla- Comandantes als Offizierskorps, hatte sich das EPS in den achtziger Jahren zur größten Armee Zentralamerikas entwickelt – ein monströser Apparat, der das militärische Überleben der Revolution gegen die Reaganschen Contra-Truppen garantierte, mit seinem immensen Finanzbedarf aber zum wirtschaftlichen Kollaps beitrug. Nach dem Ende des Contra-Krieges waren Wehrpflicht und Kriegslogik obsolet geworden. Die Umstrukturierung von Militär und Polizei, beide zu Zeiten der Revolution ausschließlich mit sandinistischen Kadern besetzt, konnte in den hochpolitisierten Institutionen nur von den Sandinisten selbst durchgeführt werden. Damit aber blieb die Macht der Gewehre in sandinistischer Hand – mehr als nur ein Dorn im Auge der nicaraguanischen Rechten und ihrer US-amerikanischen Freunde.

Ohne die Armee ging in Nicaragua nicht viel, offen gegen die Armee gar nichts. Angefeindet von den USA war Humberto Ortega der Drahtzieher im Hintergrund, der Taktierer, der Vermittler – aber er entfernte sich in dieser Rolle immer mehr von seiner sandinistischen Basis. Nicaragua kann nur hoffen, daß das fragile Kräfteverhältnis in der nicaraguanischen Gesellschaft mit Ortegas Rückzug nicht außer Kontrolle gerät. Das Land bleibt der lateinamerikanische Sonderfall: Wo überall auf dem Subkontinent Militärdiktaturen gestürzt wurden und sich rechte Generäle gegen bürgerliche Regierungen ihren Einfluß sicherten, versuchte in Nicaragua ein Militär revolutionären Ursprungs, den rechten Durchmarsch zu verhindern – und ließ sich von der zivilen Regierung abwickeln.

General Ortega tritt ab. Chiles Putschgeneral Pinochet ist noch im Amt. Und keine US-Regierung käme auf die Idee, Chile deswegen die Wirtschaftshilfe zu streichen. Bernd Pickert