: Das doppelte Lottchen
Gleich zwei Männer behaupten, Präsident des russischen Eishockeyverbandes zu sein ■ Aus Bozen Peter Unfried
Dieser Tage ist eine Kleinbusladung russischer Journalisten in Bozen aufgetaucht, hat nachträglich um Akkreditierung für die Eishockey-WM nachgesucht und das Organisationskomitee gebeten, man möge ihnen die Unterkunft zeigen. Die munteren Herren behaupten, unter der Annahme angereist zu sein, sowohl Beschaffung als auch Bezahlung sei Sache des Veranstalters.
Probleme dieser Art hat Wladimir Petrow (46) noch nicht: Wenn er unterwegs ist, heißt es, teilt sich der Präsident der russischen Hockey-Föderation (HFR) die Spesen selbst und aus der Verbandskasse zu. 500 Dollar am Tag soll er sich bei einer mehrwöchigen Reise in die Vereinigten Staaten gestattet haben. Nicht nur das: Er soll auch Geld unterschlagen haben. Viel Geld. Alles Geld? Fest steht: Die Kasse ist leer. Bis auf die letzte Kopeke, wie Petrows Gegner behaupten und den früheren Mittelstürmer der „Sbornaja“ daher von seinem Amt entbunden haben.
So hat es eine eigens einberufene Krisenkonferenz vor zwei Wochen beschlossen und als neuen Präsidenten Walentin Sytsch eingesetzt. Petrows These, mit der er derzeit in Bozen hausieren geht: Diese „Konferenz“ sei nicht gültig, weil sie „unter starker Verletzung der Statuten“ durchgeführt worden sei. Es gibt jedoch ein Fax, das Witali Smirnow, Präsident des russischen NOK und IOC-Vizepräsident, an den Präsidenten des Internationalen Eishockeyverbandes (IIHF) geschickt hat, in dem er mitteilt, Sytsch sei der wahre und richtige Präsident.
Von einem Fax wisse er nichts, sagt Präsident Petrow, und auf die Frage, wo denn das ganze Geld aus den Spielertransfers geblieben sei, wird sein Mondgesicht noch unschuldiger als es sonst schon ausschaut, und er sagt: „Das würde ich auch gern wissen.“ Präsident Sytsch wiederum glaubt zu wissen, wo das Geld ist: auf einem Züricher Nummernkonto. Man müßte Serge Lewin (52) fragen, Petrows offiziellen Dolmetscher und Berater. Der ist erwiesenermaßen ein gerissener Bursche, der sich in Koproduktion mit dem kanadischen Rechtsanwalt Rich Winter aus Edmonton und zumindest mit dem Einverständnis Petrows das große Geschäft unter den Nagel gerissen hat. Die beiden haben das Monopol auf die Vermittlung russischer Transfers in die National Hockey League (NHL). Ohne Lewin und Winter geht nichts, Spieler müssen zahlen – offiziell und inoffiziell, heißt es – und der Verband, also Petrow, will auch noch etwas. „Alles Geld“, behauptet der, „fließt sofort an die Klubs weiter.“ Bekommen haben die aber wenig oder nichts.
Günther Sabetzki bestätigte, das bewußte Fax erhalten zu haben, und forderte den russischen Verband dringend auf herauszufinden, wer denn nun sein Präsident sei. Klar ist für die IIHF: Zwei sind „rechtlich nicht möglich“. Derzeit kann man aber noch beide Präsidenten, als solche akkreditiert, in der Bozener Eishalle repräsentieren sehen. Ist bis zum 6. Mai nicht innerrussisch geklärt, wer bleibt und wer geht, will der Weltverband bestimmen. Womit immerhin schon mal ausgeschlossen sein dürfte, daß sich während der WM auch noch Viktor Tichonow einmischt. Der Trainer ist ein Gefolgsmann der Moskauer Connection von Sytsch und darf immer bei Olympia ran, weil da NOK-Chef Smirnow das Sagen hat. Bei Weltmeisterschaften aber trainiert seit dem vergangenen Jahr Boris Michailow, Petrows früherer Sturmkollege und der St. Petersburger Fraktion angehörig. Ist nun aber Petrow nicht mehr Präsident, ist Michailow folglich auch nicht mehr Trainer? Das, behauptet Vizepräsident Juri Korolew, „hängt nicht vom Präsidenten ab, sondern vom Erfolg“. Es geht um 775.000 Schweizer Franken, die der Verband bekommt, wenn man unter den besten vier landet, und drum hat Präsident Petrow den Präsidenten Sytsch unter Berufung auf den Vorrang des sportlichen Erfolges in einer Unterredung gebeten, die endgültige Klärung „bis nach der WM zu verschieben“.
Gestern hat nun Sabetzki erklären lassen, Sytsch sei wohl der Richtige. Wird also Petrow die Akkreditierung entzogen? Und Lewin sowieso? Für Wladimir Petrow ist alles klar: „Ich bin der gewählte Präsident.“ Der abgewählte ist er aber auch.
Gruppe B: Tschechische Republik - Frankreich 5:2; Tabelle: 1. Tschechische Republik 3:1; 2. USA 2:0; 3. Finnland 1:1; 4. Schweden 1:1; Norwegen 1:1; 6. Frankreich 0:4
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