: Nach Goražde nun Brčko?
■ Serben ziehen Waffen zurück / Ultimatum bleibt in Kraft
Zagreb/Genf (AFP/AP/dpa) – Die bosnischen Serben haben sich dem Nato-Ultimatum für Goražde gebeugt und ihre schweren Waffen aus der 20-Kilometer-Sperrzone um die ostbosnische Stadt abgezogen. Die Forderung des Ultimatums, das gestern um 2.01 Uhr abgelaufen war, bleibt jedoch in Kraft. Falls die Nato oder die UN- Schutztruppen doch noch schwere Waffen in der Sperrzone entdecken, müssen diese entfernt werden. Andernfalls werden sie bombardiert.
Mit der Schlagzeile „Erleichterung“ reagierte gestern die Zeitung Borba in Belgrad auf das Ausbleiben der Luftangriffe. Das unabhängige Blatt erinnerte jedoch daran, daß in Bosnien neben Sarajevo und Goražde vier weitere UNO-Schutzzonen existierten, aus deren Umgebung die serbischen Militärs ihre schweren Waffen noch abziehen müßten. Nato-Experten schlossen nicht aus, daß die Serben nun eine neue Offensive in Brčko starten, um die Verbindung durch Nordbosnien zu ihren Hochburgen in Banja Luka und der Kraijna zu erzwingen. Nach UN-Erkenntnissen ziehen die Serben dort Truppen zusammen. Nach unbestätigten Berichten gilt dies auch für die herzegowinische Hauptstadt Mostar. Weder Brčko noch Mostar sind UNO-Schutzzonen.
Die Entscheidung, von Luftangriffen abzusehen, sei in Absprache mit der Nato getroffen worden, teilte der UNO-Sonderbeauftragte Yasushi Akashi gestern in Zagreb mit. Akashi nannte die „effektive Befolgung der Forderung nach Abzug der schweren Waffen“ ein „Ergebnis der Kooperation zwischen der UNO und der Nato“. Innerhalb der 20-Kilometer- Sperrzone seien 32 Geschützstellungen von den Blauhelmen überprüft worden. Am Dienstag hatte die US-Botschafterin bei der Uno Akashi heftig angegriffen. Akashi hatte die Weigerung der USA, Bodentruppen nach Bosnien zu entsenden, kritisiert.
Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) wollte gestern die Hilfslieferungen für die ostbosnische Stadt auf dem Landweg wieder aufnehmen, wo am Morgen Hilfsgüter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz eingetroffen waren. Die Fahrzeuge hatten unter anderem eine Anlage zur Aufarbeitung von Trinkwasser geladen. Die Serben hatten bei ihrem Abzug aus dem Stadtkern am vergangenen Wochenende das Wasserwerk gesprengt.
Ebenfalls gestern haben sich die Außenminister Rußlands und Frankreichs, Andrej Kosyrew und Alain Juppé, in Genf für eine baldige Ministerkonferenz zu Bosnien ausgesprochen. Aus ihren Äußerungen ging hervor, daß sie dabei an eine Teilnahme der USA, Rußlands, der Europäischen Union sowie einer Vertretung der UNO denken. Juppé vertrat die Ansicht, eine solche Konferenz könne schon in einer Woche stattfinden. Das Ministertreffen soll nach den Vorstellungen Kosyrews und Juppés einen Gipfel vorbereiten, wie ihn Boris Jelzin vorgeschlagen hat. Sowohl Kosyrew als auch Juppé unterstrichen, die neugegründete Kontaktgruppe für Bosnien – aus Vertretern der USA, Rußlands, der UNO und der Europäische Union – sei wichtig, weil vereint an einer Verhandlungslösung gearbeitet werden könne. Die Gruppe, die ab heute in Sarajevo mit den Kriegsparteien sprechen will, solle sich zunächst auf einen Waffenstillstand konzentrieren und danach zur Erörterung von Territorialfragen übergehen.
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