: Rinderdiplomatie in Agrarministerrat
■ EU-Kommission will Vorschläge zur Kontrolle des Handels mit Rindfleisch aus Ländern vorlegen, in denen Rinderwahnsinn auftritt / Bonner Kabinett will im Mai beraten / Großbritannien droht mit Klage.
Berlin/Luxemburg/Dublin (dpa/taz) – John Major sollte Helmut Kohl zwingen, „große Mengen britischen Rindfleisches zu verspeisen“. Das verlangte am Dienstag Dafydd Wigley, Abgeordneter der walisischen Separatistenpartei Plaid Cymru. Parteiübergreifende Zustimmung ist ihm sicher. „Unser Rindfleisch ist völlig in Ordnung“, sagte der Tory-Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Jerry Wiggin. „Das Benehmen der Deutschen ist sehr ungezogen.“ Und auch der Labour- Abgeordnete Gavin Strange fragt: „Warum sollte britisches Rindfleisch für Deutsche ungenießbar sein? Entweder ist es für alle gefährlich oder für niemanden.“
Ein heikles Problem. Wie gewohnt machte Premierminster Major einen Rückzieher, als er am Dienstag mit dem deutschen Kanzler zu Gesprächen zusammentraf. Er ließ Schweinefleisch unbekannter Nationalität auftragen – aber nicht aus Niedersachsen, wie Major versicherte.
Die Geste ist verstanden worden – im Agrarministerrat, der zur selben Zeit in Luxemburg tagte. Ein Beschluß, den Handel mit Rindfleisch aus Regionen, in denen der Rinderwahnsinn BSE auftritt, zu beschränken, wurde nicht gefaßt. Seehofers Drohung, im Alleingang eine Importsperre zu verhängen, ist auch dem Landwirschaftsminister Jochen Borchert (CDU) peinlich. Ein entsprechender Beschluß des Bonner Kabinetts liegt nicht vor – das Thema war kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen worden. Lustlos trug Borchert vor, daß sein Land Maßnahmen „nicht ausschließe“, sollte die EU den deutschen Vorstellungen nicht entsprechen.
Eine Pflichtübung. Die Britische Agrarministerin Gillian Shepard ließ keinen Zweifel daran, daß ihr die britischen Schutzmaßnahmen ausreichen. Menschen seien nicht gefährdet. Falls Deutschland seine Grenzen für britisches Rindfleisch schließe, werde sie umgehend den Europäischen Gerichtshof anrufen. Dort dürften die Chancen der Deutschen ausgesprochen schlecht sein. Agrarkommissar René Steichen bot einen Kompromiß an: Die EG- Kommission werde in den nächsten Wochen eigene Vorschläge zur Regelung des Problems ausarbeiten. Beispielsweise könne ein Verbot ins Auge gefaßt werden, Knochen und Fleischmehl an Tiere zu verfüttern. Auf diesem Wege ist der BSE-Virus in Großbritannien verbreitet worden.
Auch Frankreich signalisierte Zustimmung zu einem solchen Verbot. Am 11. Mai will Borchert über dieses Ergebnis im Bonner Kabinett berichten. Über Horst Seehofers Verordnungsentwurf soll dann erneut beraten werden. raso/nh
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