: Was Cannabis so alles kann
■ Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen und vielseitig verwendbar - man kann sie sogar rauchen
taz-LeserInnen wissen bekanntlich mehr. Und so wissen sie auch, daß es in Berlin seit neuestem einen Laden gibt, in dem es von Klamotten über Kosmetika oder Garnrollen bis hin zu Briefpapier fast alles zu kaufen gibt. Nichts Besonderes? Doch. All die guten Dinge sind aus Hanf gefertigt. HamburgerInnen, die sich nach einer Cannabis-Jeans sehnen, müssen zwar weiterhin in die Haupt-Stadt fahren. Wes Herz dagegen an hänfernem Löschpapier hängt, der kann getröstet werden. Das ist auch in Hamburg zu haben.
Allerdings nicht an jeder Ecke, leider. Immerhin bringt Hanf im Vergleich zu Baumwolle pro Hektar die dreifache Menge an Fasern. Für die Papierherstellung bedeutet das: Ein Hanffeld liefert viermal soviel Papier wie ein gleich großer Wald. Außerdem werden 70 Prozent Getreidestroh eingearbeitet, ebenfalls ein nachwachsender Rohstoff, der ohnehin als Abfall anfällt. Diese Mischung stellt sicher, daß das Papier nicht zu steif und fest wird. Allerdings ist zur Zeit erst eine Handvoll ProduzentInnen weltweit überhaupt in der Lage, Cannabis-Produkte herzustellen; die Preise sind entsprechend hoch. Wer also, wie jetzt das Bundesverfassungsgericht, bei Hanf nur an Haschisch und Marihuana denkt, lebt nicht auf der Höhe der Zeit. In einer Phase der Besinnung auf einen schonenderen Umgang mit den natürlichen Ressourcen erleben alte Kulturpflanzen eine Renaissance; dazu gehört, neben Flachs oder der Sojabohne, eben auch der Hanf.
Cannabis sativa zählt zu den „Universalpflanzen“, die eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten bieten. In erster Linie ist die Hanfpflanze Faserlieferantin. Diese lassen sich ebenso zu Bindfaden, Stricken und Seilen verarbeiten wie zu Textilien und Papier. Da die Faser eine extrem hohe Stabilität aufweist, eignet sie sich auch für Baustoffe, vor allem aus dem Dämmstoffbereich. Die nahrhaften Samen liefern Speiseöl und Öl für technologische Zwecke; das Fett bildet die Basis für Kosmetika. Und last not least lassen sich aus den Inhaltsstoffen, von denen der bekannteste der Rauschmittelwirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) ist, unzählige Arzneimittel herstellen.
Die BiotechnologInnen, die schon lange nachwachsende Rohstoffe propagieren, stehen allerdings bei Cannabis vor einem Problem: Der Anbau in Deutschland ist seit 1982 durch das Betäubungsmittelgesetz verboten. Nun setzen AgrarwissenschaftlerInnen, allen voran die der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig, alles daran, Cannabis mit reduziertem THC-Gehalt zu züchten. Im Zweiten Weltkrieg hatte es bereits eine Züchtung ganz ohne THC gegeben, aber diese Form ist verschwunden und muß mühsam neu selektiert werden.
In vergangenen Jahrhunderten war ein Großteil der „Leinen“ genannten Stoffe nicht aus Flachs, sondern aus Hanf, auch in Deutschland wurden Kleiderstoffe, Tischdecken oder Bettzeug aus Hanf gewebt. Selbst die ersten Jeans waren aus bayrischem Hanf-Segeltuch gemacht, das der Schneider Levi Strauss nach San Francisco mitnahm. In der Sprache läßt sich die Tradition noch ahnen: unser Wort „Hemd“ ist von der alten Bezeichnung für Hanf „hanaf, henef, hemp“ hergeleitet, im englischen „canvas“ (Leinwand, Segeltuch) steckt Cannabis.
Hanf könnte problemlos in einem Gürtel um den ganzen Erdball angebaut werden, so daß lange Transportwege entfallen. Die Pflanze wächst in drei Monaten bis zu vier Meter und weist die botanische Besonderheit auf, männliche und weibliche Exemplare zu entwickeln. Die männliche Pflanze, der Femelhanf, ist schwächer entwickelt als die feminine, die sogenannte Hanfhenne, aus der der kostbare (Rausch-)Stoff gewonnen wird.
Da es sich um einen wieder anbaubaren und schnell wachsenden Rohstoff handelt, der - auch ohne THC - ein vielfältiges Anwendungsspektrum bietet, ist das Pilotprojekt in Brandenburg ein begrüßenswerter erster Schritt; dort wird unter wissenschaftlicher Beobachtung auf 110 Hektar THC-armer Faserhanf gepflanzt. Und: Hanf aufs Herz - wer braucht im Frühling, wo eh' die Säfte steigen, schon einen künstlichen THC-Rausch? Sandra Fanroth
Bezugsadressen: Hanfpapier bei O'well, Turnerstraße 14-16, 20357 Hamburg, Tel. 430 54 90, Fax: 430 53 99;
HanfHaus, Eisenacher Straße 71, 10823 Berlin, Tel. 030 / 614 98 84, Fax: 781 20 47
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