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Bei Peppers auf'm Sofa

■ Im Kama-Theater hat heute abend das Travestiemusical "Ladyboys" Premiere

Mamma Pellegrina ist schon eine Plage. In den ungünstigsten Augenblicken taucht sie aus Schränken und Bilderrahmen auf und redet über Hackfleischrezepte. Aber ihren Sohn Peppino kann sie so nicht aus Paula Peppers Travestielokal zurückholen. Dort machen Männer in Stöckelschuhen Liegestütze und singen noch dabei, dort sieht man die schönsten Beine von Charlottenburg, und in der Garderobe feilen die Chortunten Abend für Abend ihre Fingernägel, bis nichts mehr davon übrig ist.

Mit dem Travestiemusical „Ladyboys“ von Gregor Köhne feiert das Kama heute abend seine neunte Premiere. Damit ist die Gattung „Neues deutsches Musical“, die die Kama-Gründer Katja Nottke und Claudio Maniscalco nachdrücklich propagieren, wieder um ein Exemplar reicher. Entsprechend dem künstlerischen Konzept des Kama-Theaters ist auch „Ladyboys“ – wie zuletzt das an die „Golden Girls“ angelehnte Musical „Mixed Pickles“ – eine Uraufführung. „Es heißt immer, Musicals können nur die Amerikaner machen, aber wir haben in den letzten drei Jahren gezeigt, daß es hier auch geht“, sagt Maniscalco.

1991 wurde das Kama als „erstes Berliner musicalisches Privattheater“ gegründet. Auf die Bezeichnung „Privattheater“ legen die Betreiber besonderen Wert. Alle Inszenierungen haben sie aus eigenen Mitteln finanziert. „Wir haben uns halt gedacht, wir können lange warten, bis der Senat mal fünf Mark rüberschiebt. Da machen wir das Theater lieber erst mal auf“, erinnert sich Maniscalco. Sein Publikum ist bunt gemischt, Theaterclub-Rentnerinnen und Touristen, die die Karten über ihr Hotel bezogen haben, sitzen einträchtig neben Kreuzberger Szenetypen. Diese Mischung spiegeln auch die Stücke im Kama wider: Unkonventionelle Themen verbinden sich mit traditionellen Musical-Klischees. So spielt zum Beispiel der Kinderwunsch eines schwulen Pärchens in „Ladyboys“ ein wichtige Rolle, andererseits fehlen weder das seit André Heller obligatorische Loblied auf die Phantasie noch die schnellen, aber nicht immer witzigen Wortgefechte zwischen den Musiknummern.

Der Erfolg ihres Konzepts – die Platzauslastung des Kama liegt bei 92 Prozent – gab den Betreibern den Mut, sich um die Nutzung des Schloßpark-Theaters in Steglitz zu bewerben, über die in der ersten Hälfte dieses Jahres entschieden werden soll. „Für unsere Bühne hier sind meine Inszenierungen zu groß“, meint der 31jährige Maniscalco, der früher unter anderem am Theater des Westens gearbeitet hat. Schlimmer noch sei die Enge im Zuschauerraum, dessen 99 Plätze oft lange im voraus ausverkauft seien. „Das Theater platzt aus allen Nähten“, heißt es in der an den Kultursenator gerichteten Bewerbung. „Nicht unbegründet spottet man ,engstes Berliner musicalisches Privattheater‘.“ Die circa 500 Plätze des Schloßpark- Theaters „würden wir ohne Probleme vollkriegen“, glaubt Maniscalco. Und außerdem benötige das Kama auch größere Räume für Werkstatt, Schneiderei und Maske.

Obwohl Kultursenator Ulrich Roloff-Momin, wie Maniscalco behauptet, die Kama-Gründer persönlich zu einer Bewerbung ermuntert hat, waren sie schnell aus dem Rennen. Aus der Presse erfuhren sie, daß seit Anfang März nur noch mit zwei der zehn Bewerber um die Nutzung des Schloßpark-Theaters verhandelt wird: mit Heribert Sasse, dem ehemaligen Generalintendant der Staatlichen Bühnen Berlin, der eine Kooperation mit dem Deutschen Theater in Prag anstrebt, und mit dem Dramatiker Rolf Hochhuth, der Stücke von zeitgenössischen Autoren auf die Bühne des Schloßpark-Theaters bringen und damit auf Tournee gehen will.

„Wir prüfen jetzt, welcher von den beiden relativ kostendeckend arbeiten kann“, erklärt der zuständige Referent der Kulturverwaltung, Richard Dahlheim. Das Finanzierungskonzept des Kama, meint er, sei nicht überzeugend gewesen. „Und man muß auch das Steglitzer Umfeld sehen: Würde das Kama-Publikum denn so ohne weiteres zum Schloßpark-Theater pilgern?“ Maniscalco hat daran keinen Zweifel. „Ein großer Teil unseres Publikums kommmt aus Zehlendorf, Dahlem und Steglitz.“

Wie dem auch sei: Das Kama muß vorläufig weiter mit seinen Räumlichkeiten zufrieden sein, obwohl gerade das neue Stück die Kapazitäten zu sprengen droht. „Ladyboys“ ist die bisher ehrgeizigste und auch teuerste Produktion des Theaters. Laut Pressesprecher Enric Nitzsche hat sie „eine sechsstellige Summe“ verschlungen, für die das Kama allerdings nur zur Hälfte aufkommen muß. Die andere Hälfte trägt als Koproduzent das Hamburger Schmidt- Theater, das die Inszenierung später auf seiner Bühne zeigen wird. Aber jetzt ist sie erst einmal in Berlin zu sehen. Mindestens 75mal nacheinander darf Paula Pepper ihren Angestellten über den Mund fahren, darf Peppino lieben und leiden und Mamma Pellegrina über ihre Hormone klagen. Miriam Hoffmeyer

„Ladyboys“ von Gregor Köhne; Premiere heute abend um 19.45 Uhr, weiter Vorstellungen dann täglich außer montags, im Kama, Schwiebusser-/Ecke Friesenstraße, Kreuzberg.

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