■ Reichstag als nationaler Steinbruch: Spielball Architektur
Nun also doch kein Wiederaufbau der alten Wallot-Kuppel über dem Reichstag. Auch wenn in der CDU/CSU das unheilvolle Bündnis aus zu jeder Verzögerung bereiten Umzugsgegnern und den Pickelhauben-Nationalisten vom Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble vorläufig gebändigt scheint, ist der Weg für einen baldigen Baubeginn noch längst nicht frei. Skandalös bleibt der Verlauf der bisherigen Planung allemal. Nicht nur wegen des in den letzten Tagen in den Reihen der Union aufschießenden Gedankens der nationalistischen Rekonstruktion. Dort wird so getan, als wäre nichts geschehen seit der Einweihung des Reichstagsbaus Ende letzten Jahrhunderts, als könne eine Kopie des Baus die Ereignisse dieses Jahrhunderts vergessen machen. Der Reichstag aber braucht die Verfremdung, braucht die unübersehbare Erinnerung an die deutsche Geschichte und ihr furchtbares Erbe. Architektonisch muß dieser Gedanke im neuen Bundestag präsent sein. Dagegen gehen die Kuppel-Fans an. Schäuble, der gegen die Pickelhaube stritt, hat freilich selbst dazu beigetragen, daß diese nationalen Stimmen in der CDU/CSU stärker geworden sind.
Der Architekt Foster ist mit seinen Entwürfen längst zum Spielball geworden. Es ist eine Unverschämtheit gegenüber dem Architekten und auch gegenüber der Öffentlichkeit, wie seine bisherigen Entwürfe zuschanden gemacht wurden. Zur Erinnerung: Es hat einen großen internationalen Wettbewerb gegeben – der nebenbei viel Geld gekostet hat. Dabei siegte Foster vor den ebenso renommierten Calatrava und de Bruijn mit einem schwebenden Glasdach über dem Reichstag, der das klotzige Gebäude zum historischen Artefakt verfremdet. Von diesem Konzept ist nichts mehr übergeblieben; am Ende bleibt, daß Foster mißbraucht wurde für einen unwürdigen Streit. Der Lauf der Dinge läßt auch für den Bau des Kanzleramts am Spreebogen Schlimmes ahnen. Demokratie als Bauherr? – Bei der Union unbekannt. Gerd Nowakowski
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