: Verfassungsschutz wollte Jugendlichen werben
■ Interesse an Antifa, 1. Mai und Uni
Gestern mittag, 13.15 Uhr, Ristorante „La Montanara“ in der Lankwitzer Leonorenstraße: Ein grauhaariger, älterer Herr sitzt mit Peter Z. (Name geändert), einem 20jährigen Studenten, an einem der hinteren Tische. Er fragt nach den für den 1. Mai geplanten Aktivitäten der Antifa-Szene und erneuert sein Angebot. Als er bemerkt, daß die taz von dem Treffen unterrichtet war, steht er erschrocken auf und spricht Peter Z. ironisch seinen „Dank“ aus. Verärgert zahlt er die Rechnung, Fragen gegenüber der Presse will er nicht beantworten.
Peter Z. hatte bereits am vergangenen Montag Besuch bekommen: Der gleiche Herr, der keinen Namen nennen wollte, stellte sich als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes (VS) vor, vergewisserte sich, daß die Eltern von Z. nicht da waren und sprach Z. auf eine Personalienfeststellung vor anderthalb Jahren in Hohenschönhausen an. Die Demokratie, erklärte er, sei derzeit von rechts wie links bedroht. Z. studiere ja Politologie, und er wolle mit ihm einmal über seine beruflichen Perspektiven reden. Falls Z. sich bereit erkläre, mit seinem Amt zusammenzuarbeiten, könne er bald mit einem regelmäßigen Einkommen und auch einmal einer Sonderzahlung für den Urlaub rechnen.
Peter Z. ging zum Schein auf das Angebot ein und erfuhr, daß er sich zunächst über mögliche Antifa-Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Kreuzberger 1. Mai und dem befürchteten Aufmarsch der FAP umhören solle. Generell, so wurde ihm mitgeteilt, sei der VS an Antifa-Strukturen interessiert, aber auch an den politischen Aktivitäten eines angeblichen RAF- Sympathisanten am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Als Peter Z. erklärte, er müsse sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen, wurde der gestrige Termin in Lankwitz vereinbart.
Gegenüber der taz meinte Z., er könne sich den Anwerbeversuch des VS nur damit erklären, daß die Verfassungsschützer offenbar wußten, daß er sich nach seinen Antifa-Aktivitäten am Gymnasium nun auf das Studium konzentriere. Der VS-Mann hätte ihn auch wissen lassen, daß er aus gutbürgerlichem Hause komme und seine „Festnahme“ in Hohenschönhausen ein Ausrutscher gewesen sein könne, bei dem er allerdings Einblick in die Antifa-Strukturen, insbesondere auch in Ostberlin, bekommen haben könnte. Die Personalien von Z. waren in der Nacht auf den 3. Oktober 1992 in Hohenschönhausen von Zivilpolizisten festgestellt worden, als Z. mit mehreren anderen an einer Fahrwache wegen befürchteter rechtsextremer Übergriffe auf ein Vertragsarbeiterheim in der Gehrenseestraße beteiligt war.
Beim gestrigen Termin, sagte Z., habe sich sein Eindruck bestätigt, daß der VS jemanden brauche, den er langfristig in der Antifa-Szene aufbauen könne. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen