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Im Geiste der Pfeilkreuzler

■ Ungarns Neofaschisten gründen gemeinsame Organisation

Budapest (taz) – In Ungarn haben die Anführer von drei neofaschistischen Gruppierungen eine Nachfolgeorganisation der faschistischen Pfeilkreuzler gegründet. Wie István Györkös, Albert Szabó und Kemál György Ekrem in Budapest bekanntgaben, hätten sie den Antrag auf die gesetzliche Registrierung ihrer „Ungaristischen Bewegung“ (HM) am 12. April gestellt. Die Organisation, die bereits 500 Mitglieder habe, werde ihre Aktivitäten unabhängig davon aufnehmen, ob das Gericht sie zulasse oder nicht.

Die HM sieht sich in der Tradition des Pfeilkreuzler-Führers Ferenc Szálasi, der im Oktober 1944 eine mehrmonatige Schreckensherrschaft in Ungarn errichtet hatte und einer der Hauptverantwortlichen für die Deportation und Vernichtung von 600.000 ungarischen Juden ist. Unter einem bekränzten Bild Szálasis sagten die drei Neofaschisten am Dienstag, in Ungarn müsse endlich der Wille der ungarischen Mehrheit gegen den fremden Geist der herrschenden Minderheit durchgesetzt werden. Der Holocaust interessiere sie nicht, er sei, wie auch der Antisemitismus, Sache Israels. Szálasi, der der Jugend als Vorbild dienen sollte, habe die Juden vor der Deportation gerettet.

Die drei Neofaschisten sind in Ungarn einschlägig bekannt. Györkös, Chef der „Ungarischen Nationalen Front“ gilt als der einflußreichste Führer unter ungarischen Neonazis und Skinheads und ist wegen Volksverhetzung vorbestraft. Gegen Szabó, den Führer der „Weltnationalen Volksherrschaftspartei“, läuft derzeit ein Strafverfahren wegen des selben Deliktes, seine Partei soll verboten werden. Ekrem ist Chef einer Organisation, in der sich „Opfer des Kommunismus“ zusammengeschlossen haben.

Die „Ungaristische Bewegung“ könnte zur Vereinigung der bislang nur locker verbundenen oder zerstrittenen ungarischen Neonazis führen. Dafür spricht auch, daß die Polizei in letzter Zeit weniger gewalttätige Übergriffe von Neonazis, aber zunehmend organisatorische Aktivitäten sowie „friedliche“ antisemitische Manifestationen registriert hat. Die HM will erst bei den übernächsten Parlamentswahlen 1998 antreten und rief dazu auf, bei den Wahlen am 8. Mai die „Ungarische Gerechtigkeits- und Lebenspartei“ des bekannten antisemitischen Politikers und Dramatikers István Csurka zu unterstützen. Bei den Wahlen in der nächsten Woche tritt auch die neofaschistische „Ungarische Interessenpartei“ an, die die Deportation aller Roma ins Donaudelta fordert, wo diese einen Staat gründen sollen. Die Partei verwendet in ihrem Wahlkampf antisemitische Plakate, die Györkös gezeichnet hat. Ein Verfahren gegen die Partei hat die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Keno Verseck

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