„Das Herz steckt drin!“

■ Pat Thomas, Ex-Chef des Neo-Folk-Labels „Heyday“, jetzt selbst auf Tour

Lange Zeit war der Gründer des feinen San-Francisco-Folk-Labels Heyday bloß der geschmackssichere, weise Mann hinter Protagonisten wie Penelope Houston, den Bedlam Rovers, Sonya Hunter oder Chris Cacavas. Nach dem Verkauf von Heyday lebt er jetzt in einer Bonner Wohnsiedlung, kümmert sich beim ebenfalls feinen Label Normal um den Verkauf der mitgeschleppten Neo-Folk-Platten, widmet sich aber auch verstärkt den eigenen Produktivitäten. Jüngster Beweis: St. Katharine (What's So Funny About), eine Compilation aus zehn Jahren Songwriting.

taz: Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Warum hat man bisher so wenig von Pat dem Musiker, nicht dem Labelmacher, mitbekommen?

Pat Thomas: Ich hatte lange damit zu kämpfen, daß ich für die Leute bloß der Label-Boss war. Das ging sogar so weit, daß Witze gemacht wurden, über den spleenigen Heyday-Chef, der nebenbei eben auch Musik macht. Erst als ich anfing, meine Songs mit denen von anderen Musikern zu vergleichen, wurde mir klar, daß es keinen Grund gibt, meine Arbeit weiterhin zu verstecken.

Warum verläßt jemand eine Stadt wie San Francisco, um ausgerechnet nach Bonn zu ziehen?

Weil Du als unabhängiger Labelmacher in Amerika nicht lange überleben kannst, ohne zum verbitterten Zyniker zu werden. Als ich Heyday noch leitete, habe ich jahrelang versucht, Folkies wie Barbara Manning, Sonya Hunter und Chris Cacavas in der Presse unterzubringen. Blätter wie Spin, die Village Voice oder der Rolling Stone aber sind dermaßen korrupt, daß sie sich die Platten von Labels, die keine Anzeigen bei ihnen schalten können, schon gar nicht mehr anhören. Und während Rockkritiker wie Dave Marsh oder Greil Marcus ignorante Arschlöcher sind, gibt es hier Leute, die sich wirklich um Musik kümmern. So kann ich beispielsweise Michael Ruff anrufen, um ihm von Sonyas neuer Platte zu erzählen, und es interessiert ihn sogar. Dave Marsh geht nicht mal mehr selbst ans Telefon.

Die amerikanische Rezeption Eurer Musik unterscheidet sich also stark von der europäischen?

In Amerika gibt es genau zwei Arten von Musikfans: Traditionalisten und Neuzeitler. Neuzeitler sind College-Kids, die ihr Geld für die Musik ausgeben, die gerade hip ist - sei es Swingbeat, Hip Hop oder Grunge. Die Traditionalisten hingegen interessieren sich nur für Musik, die mindestens genauso alt ist wie sie selbst. Die Europäer beschäftigen sich mit einem größeren Spektrum. Ich staune jedesmal erneut, wenn ich bei Leuten John Coltrane- und Marsalis-Platten genauso selbstverständlich entdecke wie Tom Paxton, Buffy St. Marie und Nirvana und Pearl Jam.

Kann man bei den Neo-Folkies noch von einer funktionierenden ,Szene' sprechen?

Mittlerweile nicht mehr. Was sich noch vor einigen Jahren in Bars wie dem Albion abspielte, ist vorbei. In dem Augenblick, wo die Welt anfing, das bunte Durcheinander von Leuten wie Mark Eitzel vom American Music Club, Gary Floyd von Sister Double Happiness, Penelope, Barbara Manning etc. zu entdecken, war Schluß mit der einstigen Familiarität. Sie verdienen jetzt genug Geld, um durch die Welt touren zu können. Es ist also kaum noch einer da, der Zeit hätte, in den Cafés abzuhängen.

Was ist überhaupt noch ,Folk'?

Schwer zu sagen. Für mich war es eine bewußte Entscheidung, nach jahrelanger Beschäftigung mit Leuten wie Dylan, Andersen, Ochs oder Fairport Convention so klingen zu wollen. Ansonsten sehe ich mich ebenfalls stark von den frühen Modern Lovers, Violent Femmes oder meinem Freund Steve Wynn beeinflußt - alles Musiker, bei denen der Song klar im Vordergrund steht. Wie wohl auch jedes Stück, das man auf einer akustischen Gitarre spielen kann, am Ende irgendwie Folk ist. Hauptsache, das Herz steckt mit drin.

Marc Fischer

1.5., Knust, 21 Uhr