Spezieller Dank an Klaus

■ Über die DVU und die Sozialdemokratie – Erinnerungen an einen Wahlkampf

„Wilhelm Kaisen würde DVU wählen“ – na klar, daß die Bremer SozialdemokratInnen mit einem allergischen Schock reagieren. Ausgerechnet die Bremer SPD-Ikone Kaisen, der 1933 von den Nazis aus dem Rathaus gejagt worden war, und dazu ausgerechnet noch Schumacher und Ebert. Es war eine propagandistische Breitseite auf die SPD, die die DVU im letzten Bürgerschaftswahlkampf abgefeuert hat. Und es ist kein Zufall, daß sich die rechten immer wieder gerade an der Sozialdemokratie abarbeiten, denn: Die Wählerwanderungen der letzten beiden Bürgerschaftswahlen zeigen, die Stärke der DVU ist vor allem die Schwäche der SPD.

Die DVU ist faktisch nicht mehr als ein Wahlverein, von einem Millionär finanziert, ohne Parteileben, ohne innerparteiliche Demokratie, ohne Einbindung in die Gesellschaft. Als Partei ist die DVU ein Phantom, aber ein ziemlich erfolgreiches. Die DVU lebt von der immergleichen Propaganda, und die geht bis ins sozialdemokratische Mark: Wir sind die Anwälte der kleinen Leute. Das ist der Einbruch in den SPD-Mythos. Dieser Einbruch ist der DVU gelungen. Sowohl 1987 als auch 1991 konnte die DVU gerade in den sozialdemokratischen Hochburgen ihre besten Ergebnisse einfahren.

Stimmenverluste an die Rechten, das war die Angst, die im letzten Bürgerschaftswahlkampf innerhalb der SPD umging. Heute schreit die SPD Zeter und Mordio wegen des Bremer Skandalurteils, heute steigt Klaus Wedemeier in die Bütt und redet von der „Fratze des Faschismus“, die sich in der DVU zeige, doch im Wahlkampf 1991 war es derselbe Klaus Wedemeier, der aus Angst vor dem Rechtsruck DVU-Parolen in Landespolitik umsetzte. Es hat ihm am Ende nichts genützt, im Gegenteil. Die SPD konnte ihren Erdrutsch nicht verhindern, und die DVU konnte zum erstenmal in Fraktionsstärke in ein bundesrepublikanisches Parlament einziehen.

Der Wahlkampf 1991 hatte eher lau begonnen, lange Zeit war es keiner Partei gelungen, die Wahlkampfthemen in der Öffentlichkeit zu bestimmen. Bis dann Wedemeier höchstpersönlich die DVU-Propaganda zum Top-Thema machte. Als der Bremer Bürgermeister in all seiner Machtfülle den bremischen Aufnahmestopp für AsylbewerberInnen verkündete, da brachen bei der DVU wahre Jubelstürme los. Damit war von ganz oben abgesegnet, was die Rechte schon immer gesagt hatte: Das Boot ist voll. Und Wedemeier brüstete sich in der SPD-Wahlzeitung mit dieser Entscheidung: Der Bürgermeister hat Handlungsfähigkeit bewiesen.

Was Wedemeier und seine BeraterInnen als letzte Rettung des eigenen Wahlvolkes gedacht hatten, das ging auf grausame Weise nach hinten los. Und die DVU konnte die SPD mühelos vor sich hertreiben. Daß Kaisen, Ebert, Schumacher, Engels die DVU wählen würden, das füllte nur eine Seite der rechtsextremen Wahlkampfzeitung. Auf einer zweiten stand in großen Lettern: „Die große Wählertäuschung – Das ist der Täter“ und daneben das Konterfei Wedemeiers. „Jetzt haut SPD-Wedemeier auf den Putz, verspricht Scheinasylanten-Stopp. Jede Wette: Nach den Wahlen schlepprt man wieder haufenweise Asylbetrüger und Zigeuner nach Bremen und Bremerhaven.“

In diese politische Falle ist Wedemeier selbst gesprungen, auch wenn er sich jetzt lautstark von der DVU distanziert. Er hat versucht, die DVU mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen, im direkten Kampf um sozialdemokratisch-rechtsextreme WackelwählerInnen. Und die SPD ist ihm auf diesem Kurs gefolgt. Wer es zugespitzt formulieren will: Wedemeier hat der DVU über die Fünf-Prozent-Hürde geholfen. In der Debatte zur Wahl des Senats sagte der DVU-Abgeordnete Karl-Heinz Vorsatz: „Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, Herrn Wedemeier speziell meinen Dank abzustatten für die Politik der vergangenen Jahre, denn er ist der Vater des DVU-Erfolges.“

Jochen Grabler