: „Eben mit Farbstoffliste einkaufen“
■ Karin Jöns, SPD, wirbt für europäische Politik des Machbaren
Europapolitik, das ist Politik des Machbaren und nicht der hehren Ziele. Und wer Wahlkampf für die Europawahl machen will, muß in erster Linie nicht für sich, sondern für Europa werben – so auch Karin Jöns, Bremer SPD-Kandidatin für Straßburg und Brüssel. Beispiel VerbraucherInnenschutz: Europa, das heißt Angst vor verstrahlten Gemüsemutationen, mit Schweine-Genen versetzten Kartoffeln und Babynahrung mit zig Farb-, Konservierungs- und sonstigen Zusatzstoffen. „Da gibt es einfach viele Vorurteile“, hält Karin Jöns dagegen: Immerhin seien 60 Prozent der hochgelobten bundesdeutschen Gesetzgebung auf europäische Initiative zurückzuführen – „und ein niedrigerer europäischer Standard für Lebensmittel bedeutet noch lange nicht, daß sich deutsche Produkte verschlechtern“.
Denn europäische Gesetzgebung hebelt nationale nicht aus: Schärfere deutsche Grenzwerte für Babynahrung zum Beispiel gelten weiterhin für deutsche Hersteller, egal wie hoch die Werte europaweit angesetzt werden. Im Regal findet sich dann allerdings womöglich höher belastete Babykost aus Frankreich oder bestrahlte belgische Tomaten oder spanische Wurst mit hierzulande unerlaubten Zusatzstoffen... Soll man die Einfuhr verbieten? Nichts da, so Karin Jöns: „Wer will schon den Markt wieder abschotten?!“ Geht es um neue Richtlinien, kann das Europäische Parlament nun erstmals mitbestimmen. Und: „Wenn man für Verbote keine Mehrheit kriegen kann, muß man eben an die Mündigkeit der Bürger appellieren und sie selbst entscheiden lassen.“ Dazu müssen die aber erstmal wissen, was überhaupt drin ist in den Lebensmitteln – also die Forderung: Kennzeichnungspflicht für alle Inhaltsstoffe und Herkunftsland. „Niemand muß Importiertes kaufen“, so Jöns, und: „Es ist jedem zuzumuten, sich eine Liste der E-Zusatzstoffe zu besorgen und beim Einkauf darauf zu achten, wenn er sie vermeiden will.“
Die Überprüfung der Auflagen wollen die europäischen SozialdemokratInnen einer Lebensmittel-Agentur übertragen: „Wir wollen eine zusätzliche, nicht nationalstaatlichem Druck ausgesetzte Lebensmittelkontrolle haben“, so Karin Jöns. Ein weiteres Aufblasen der Eurokratie? Für Jöns vor allem ein Mittel, um den Verbraucherschutz auszuweiten – und warum sollte europäische Demokratie weniger kompliziert funktionieren als die deutsche? skai
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