■ Schöner leben: Die Piktofalle
Es ist ja nicht so, daß ich mich grundsätzlich gegen Gruppenzugehörigkeit sträuben würde. Da hat also die Hygieneordnung im Gaststättengewerbe beschlossen, es habe allerorten (mindestens) zwei Bedürfnisörtlichkeiten zu geben, und zwar örtlich voneinander getrennt. Streng nach Weiblein und Männlein – genaugenommen sind ja diese Orte die letzte Insel, auf der die unterschiedlichen Sitzgewohnheiten überhaupt noch respektiert werden. Nun scheinen aber leider die freundlich und zuverlässig leitenden D's und H's an den Türen zu besagten Ortlichkeiten aus der Mode geraten zu sein. Man trägt heute Bilder, Piktogramme. Schön, das zeugt von einem Drang nach Weltoffenheit und ist eher was fürs mitdenkende Auge. Ist ja auch schnell gelernt: mal unten breit, mal stromlinienförmig, und das Kombinieren von Kreisen, Pfeilen und Kreuzen klappt meist schon nach ein paar Testversuchen. Da hat sie aber nicht mit der Innovationsfreude findiger Geschlechtsgrafiker gerechnet! Die nämlich provozieren inzwischen bei fast jeder Aufsuchung eine heimliche Selbstanalyse: Nehme ich heute die Tür zum Hammer oder fühle ich mich doch eher mit mir eins und wende mich der in sich geschwungenen Sichel zu? Ich behaupte mal unreflektiert, daß Männer sich mit ihrer Wahl da leichter tun; Frau jedoch stößt ganz schnell an die Grenzen ihres Identifizierungswillens. Mir ist es gar geschehen, daß ich im nicht minder symbolsüchtigen Ausland zwischen Spirale und Maske ins Schwanken geriet. Welch' Schmach, solch Zögern! Dann aber wies eine auf Maske zustrebene Person im roten Maxi mir den Weg. Ich folgt'ihr wie ein Hündchen – um kurz vor Einlaß aufs Strengste zurück- und in die mir zustehende Spiral-Rolle gewiesen zu werden. Da sehne ich mich doch entmutigt nach meinen Kindertagen. Damals konnte ich wenigstens noch von „unten breit“ auf die mir anhaftenden Dirndlröckchen schließen.Silvia PlahlSilvia
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