: Altenpflege droht Notstand
■ Arbeitsamt streicht Ausbildung für AltenpflergerInnen / „ 150 Stellen im Jahr nötig“
Vor fünf Jahren war der „Pflegenotstand“ in den Krankenhäusern in allen Schlagzeilen. Heute droht eine ähnliche Situation in den Altenpflegeheimen – aber kaum jemand redet davon. Gestern schlugen die InitatorInnen des „Modellversuchs Altenpflege“ Alarm: "Wenn sich die Situation nicht in kürzester Zeit ändert, hat Bremen ab 1996 einen absoluten Pflegenotstand“, so die Bremer Heimstiftung.
Denn im Gegensatz zur Krankenpflege und im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es bisher in Bremen noch keine feste Berufausbildung für die Altenpflege. Altenpflege ist ein Beruf, zu dem man oder vor allem frau durch Umschulung kommt: Nach einer zweijährigen Umschulung gehen bisher die AltenpflegerInnen in einen laut Bremer Heimstiftung „fast 100prozentig sicheren Arbeitsplatz“. Denn an den Pflegekräften herrscht in Bremen Mangel: 1992 ermittelte die Sozialbehörde einen Bedarf von 120-150 Stellen jährlich.
Doch mit der Umschulungsausbildung wird bald Schluß sein, denn das Arbeitsamt zahlt seit April 1994 nicht mehr dafür. Der Bremer Senat solle sich gefälligst an der Finanzierung beteiligen, so das Arbeitsamt. “Das Arbeitsamt erwartet, um die Umschulung auch weiterhin durchführen zu können, die Einrichtung einer anerkannten Erstausbildung zur Altenpflege“, so Frau Guski von der Bremer Heimstiftung. Aber gerade daran fehlt es: Einen eigenen Ausbildungsberuf „Altenpflege“ gibt es nicht und wird es in Bremen demnächst auch nicht geben.
Dabei fehlte es nicht an Ansätzen und gutem Willen. 1988 wurde vom Bildungssenator in Zusammenarbeit mit den privaten Fachschulen ein Entwurf für eine Ausbildungsverordnung erarbeitet. Der aber verschwand in den Schubladen der Behörden. Im Oktober 1990 starteten Heimstiftung, Berufsfachschule für Sozialwesen und Uni Bremen einen Modellversuch „Altenpflege“, in dem eine Ausbildung simuliert wurde. Der Versuch wurde vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft mit insgesamt 1,07 Millonen Mark gefördert. In dieser Zeit durchliefen zwei Ausbildungsgänge mit je 100 SchülerInnen aus Bremen und Bremerhaven die Ausbildung.
Altenpflege ist ein harter Job: Sie erfordert harte körperliche Arbeit und ein hohes Maß an psychischer Belastungsfähigkeit. Mit alten Menschen arbeiten bedeutet, sich tagtäglich den Verfallserscheinungen des Alterns, mit geistiger Verwirrung, körperlichen Gebrechen, Krankheit und Tod auseinanderzusetzen. Dazu kommt der Schichtdienst und eine im Vergleich zur Krankenpflege untertarifliche und nach Häusern unterschiedliche Bezahlung.
Dennoch gibt es junge Menschen, die diese Ausbilung anstreben würden, wenn sie die Chance dazu hätten. Die in den Schulzentren Blumenthal (Bremen Nord), und Geschwister-Scholl(Bremerhaven) als Modellversuch durchgeführte dreijährige Ausbildung, umfaßt zwei Schuljahre und ein Praktikumsjahr. Zugangsvoraussetzung für den Beruf mit der voraussichtlichen Bezeichnung „AltenpflegerIn/ Schwerpunkt Altenbetreuung“ ist der qualifizierte Hauptschulabschluß, während der Ausbildung kann der Realschulabschluß nachgeholt werden. Alles allerdings unter der Voraussetzung, daß Bremen die Notwendigkeit einer solchen Ausbildung einsieht und Geld locker macht. Ilka Petersmann
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