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Der Mailänder Retter will nicht mehr

Übernahme von Eko-Stahl durch Riva droht zu scheitern / Treuhand: Die Situation ist „außerordentlich ernst“ / Streit um Aufsichtsratsbesetzung, Arbeitsplatzabbau und Riva-Bilanzen  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Die Privatisierung des Eko-Stahlwerks in Eisenhüttenstadt droht zu scheitern. Treuhand-Sprecher Wolf Schöde sprach gestern mit Grabesstimme von einer „außerordentlich ernsten Situation“.

Am vergangenen Sonntag hätte der italienische Stahlfabrikant Emilio Riva das größte ostdeutsche Stahlwerk übernehmen sollen. Weil aber keine Einigung über die Besetzung des Aufsichtsrats erzielt werden konnte und weil nach wie vor unklar ist, wie der geplante Stellenabbau vonstatten gehen soll, konnte die Privatisierung nicht wie geplant über die Bühne gehen.

Gestern schien es nun so, als ob es sich nicht nur um eine kleine Verzögerung handelt. Der Treuhand-Sprecher sagte: „Der Gesprächsfaden mit Riva ist nicht abgerissen – um genau zu sein: noch nicht.“ Von den noch 3.000 Eko- Stahlarbeitern weiß bis heute keiner, ob er seinen Job verliert oder nicht. 1996 sollen nach Absprachen mit der Treuhand noch 1.700 davon übrigbleiben. Der Eko-Betriebsrat wirft dem Mailänder Stahlunternehmer vor, keinerlei Konzept für einen sozialverträglichen Stellenabbau zu haben.

Und schlimmer: Auf dem Areal von Eko-Stahl siedeln rund 50 kleine Firmen, die aus dem früheren Eisenhüttener Stahlkombinat ausgegliedert worden sind. Offenbar hatte Riva vor, einige dieser Firmen Eko wieder einzuverleiben. Zählt er diese Arbeitsplätze dann mit, könnte er viel mehr der Eko-Mitarbeiter entlassen.

Die Treuhand hat noch ein weiteres Problem mit Riva: Bis Ende April hätte er eine konsolidierte Bilanz, also eine Bilanz, die sämtliche Konzernteile umfaßt, vorlegen sollen. Dies ist nicht geschehen. „Wir sind ein Familienunternehmen. Unser Bedürfnis, die Öffentlichkeit zu informieren, darf also begrenzt sein“, bügelte Hans-Hinrich Muus, Statthalter Rivas in Deutschland und mit der Riva- Sippe verschwägert, schon vor einem halben Jahr alle Interessierten ab.

Zweifel an der Bonität Rivas gibt es schon länger; woher er eigentlich das Geld hat, mit dem er Stahlwerk nach Stahlwerk in Europa aufkauft und saniert, ist niemandem so recht klar. Der 67jährige Mailänder wollte Eko-Stahl auch gar nicht selbst direkt übernehmen. Er gründete vielmer in den Niederlanden eine Tochterfirma, die die Verträge mit der Treuhand schloß. Deren Eigenkapital beträgt 60 Millionen Mark – mehr kann Riva bei dem Geschäft also nicht verlieren. Dafür kann er an Treuhand- und EU-Zuschüssen die zehnfache Summe gewinnen.

Trotz aller Zweifel: die Treuhand wird alles tun, um Riva als Investor zu halten. Denn sämtliche Alternativen scheitern an der EU. Die gestattet die notwendigen Zuschüsse nämlich nur, wenn anderswo Stahlkapazitäten abgebaut werden. Wird in Eisenhüttenstadt in eine neue Walzstraße investiert, muß dafür eine andere stillgelegt werden. Nur Riva, dem in Ostdeutschland auch noch die Stahlwerke in Hennigsdof und Brandenbug gehören, kann diese Auflage erfüllen: Die Hennigsdorfer Walzstraße kann er opfern.

Aber ob Emilio Riva überhaupt noch will, das ist jetzt die Frage. In einem Interview mit der italienischen Wirtschaftszeitung Il sole 24 ore sagte er: „Es haben diejenigen gewonnen, die nicht wollten, daß Eko überlebt.“ Er sei entschlossen, das Eko-Stahlwerk aufzugeben. Die Schuld daran gibt er den alten Managern und Aufsichtsräten, die, wie er sagt, um ihre Posten fürchteten, und seinen Konkurrenten von der Ruhr. Die haben natürlich kein Interesse daran, an der Oder die modernste Walzanlage der Republik entstehen zu sehen. Personelle Verflechtungen mögen Riva tatsächlich das Leben schwer gemacht haben. Der noch amtierende Eko-Aufsichtsratsvorsitzende Otto Gellert ist nicht nur zugleich stellvertretender Vorsitzender des Treuhand-Verwaltungsrats. Zumindest bis Ende 1992 war er als Wirtschaftsprüfer auch für die Firma Hoesch tätig, einer direkten Konkurrentin Rivas.

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