: "500.000 Tote in Ruanda"
■ Oxfam spricht vom schlimmsten Völkermord seit Kambodscha / RPF-Guerilla erzielt Geländegewinne und beginnt die Hauptstadt einzukreisen / Vermittlungsbemühungen der UNO noch immer erfolglos
Nairobi/London (AP/AFP/taz) Ruanda ist nach Ansicht der britischen Hilfsorganisation Oxfam möglicherweise Schauplatz des schlimmsten Völkermordes seit über 20 Jahren. Die Zahl der Toten in dem zentralafrikanischen Staat könne eine halbe Million erreichen, sagte Oxfam-Direktor David Bryer gestern in London. „Wenn dies bestätigt wird, dann handelt es sich um Völkermord in einem schrecklichen Ausmaß, wie ihn die Welt seit Kambodscha in den siebziger Jahren nicht gesehen hat“, erklärte er. In dem südostasiatischen Land ermordeten die Roten Khmer damals mehr als eine Million Menschen. In Ruanda wurde die Zahl der Todesopfer bisher mit mindestens 100.000 angegeben, UNO-Generalsekretär Butros Ghali nannte auch schon die Zahl 200.000. Oxfam forderte eine Militärintervention der UNO. Die UNO-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, sagte, zur Zeit werde von der UNO die Entsendung einer afrikanischen Eingreiftruppe in Ruanda nach dem Modell der westafrikanischen Truppe in Liberia vorbereitet.
In und um die ruandische Hauptstadt Kigali gingen unterdessen die Kämpfe weiter. Es seien die heftigsten Gefechte seit Wiederaufflammen des Bürgerkrieges vor einem Monat, sagte Philippe Gaillard vom Internationalen Roten Kreuz. Offenbar versuchen die Rebellen der „Patriotischen Front Ruandas“ (RPF) jetzt die Hauptstadt Kigali einzukreisen und vollständig einzunehmen. Nachdem sie am Wochenende im Osten Ruandas an der Grenze zu Tansania beträchtliche Geländegewinne erzielt hatten, eroberten sie am Dienstag abend die Stadt Kabuga, 15 Kilometer östlich von Kigali, die sie zuvor fünf Tage lang belagert hatten. Nun liegt der Weg frei zum Hauptquartier der Regierungsarmee in Kanombe am Ostrand von Kigali, wo auch der Flughafen liegt. Die Regierungsarmee kann inzwischen nur noch im äußersten Westen Ruandas, an der Grenze zu Zaire, ungehindert operieren. Gestern griffen regierungstreue Einheiten in Kigali einen UNO- Konvoi an, der 62 Zivilisten zwecks Evakuierung zum Flughafen bringen sollte, und verletzten sieben Ruander mit Macheten.
Die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international forderte gestern eine Sondersitzung der UNO-Kommission für Menschenrechte. Die USA hatten im Weltsicherheitsrat am Dienstag eine Forderung nach einem Waffenembargo gegen Ruanda erläutert, doch kam ein entsprechender Beschluß zunächst nicht zustande.
Im tansanischen Arusha setzte UNO-Beauftragter Jacques-Roger Booh-Booh seine Bemühungen fort, die RPF und die ruandische Regierung an einen Tisch zu bekommen. Bislang habe es nur „informelle Kontakte“ beider Delegationen mit den tansanischen Behörden und verschiedenen Botschaftern gegeben, sagte gestern der Sprecher der UNO-Mission in Ruanda, Moctar Gueye. Booh- Booh sollte gestern in Kampala den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen