: Schutz vor Abschiebung
■ Interview mit Wolfram Stauffer, Pfarrer in Hamburg, über die Möglichkeit des Kirchenasyls und den Schutz von Flüchtlingen
taz: Im bayerischen Gilching hat eine kurdische Familie nach vier Wochen ihr Kirchenasyl aufgegeben. Sie mußte untertauchen, weil ein Polizeieinsatz bevorstand. Sie, Herr Stauffer, haben schon oft Flüchtlinge in Ihrer Gemeinde aufgenommen. Waren das offene Aktionen oder haben Sie die Menschen versteckt?
Wolfram Stauffer: In der Regel haben wir es offen gemacht. Aber ein Flüchtling ist illegal bei uns. Er würde auf jeden Fall abgeschoben. Da sagen wir natürlich nicht, wo er steckt.
Ihre Gemeinde steht dahinter?
Sonst ginge es nicht.
Haben Sie schon einmal befürchtet, daß die Polizei die Leute aus der Kirche holt?
O ja. Dann haben wir Fluchtwege ausgetüftelt, komplizierte Pläne gemacht und alles für eine Flucht vorbereitet.
Das scheint Ihnen keine moralischen Probleme zu bereiten.
Bitte? (lacht) Nein. Mir macht es moralische Probleme, wenn Leute abgeschoben werden. Aber ich hab' gar keine Bedenken, jemanden vor Abschiebung zu schützen.
Und wie steht es mit Ihrem rechtsstaatlichen Bewußtsein?
Wenn der Rechtsstaat den Boden des Rechts verläßt, dann bleib' ich lieber drauf. Asylgesetze sind Gesetze, aber kein Recht mehr. Ich beziehe mich auf die Rechte des Menschen, wie sie in der Bibel beschrieben sind. Das kommt der Genfer Konvention sehr nahe. Zwar gibt es kein verbrieftes Recht der Kirche, Asyl zu gewähren. Trotzdem ist die Kirche ein heiliger Raum – auch für die Polizei. Und wenn viele Leute diesen Asylraum verteidigen, dann wird's gefährlich für den Staat.
Wurde Ihnen schon einmal ein Verfahren angehängt?
Nein, bisher gab's nur brüderliche Ermahnungen von der Ausländerbehörde.
Jürgen Schmude (SPD), Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, meint, Kirchenasyl sei noch kein Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Schmude ist ein typischer Kirchenmann, der sich dem Staat gehorsam andient. Seine Tendenz ist, abzuwiegeln, um Konflikten vorzubeugen. Aber hier ist der Konflikt notwendig.
Rufen Sie Ihre Gemeinde zum Widerstand gegen die Polizei auf?
Als es einmal ernst zu werden drohte, wußte die Gemeinde, daß sie sich um die Kirche versammeln sollte, wenn die große Glocke läutet.
Was machen Sie, wenn morgen 150 Flüchtlinge vor Ihrer Kirche stehen und um Asyl bitten?
Das können wir als kleine Gemeinde gar nicht leisten. Wenn die ganze Gemeinde stillgelegt wird, ist es kontraproduktiv. Denn wer ist dann da, der die Flüchtlinge schützt, der sie vertritt und sie finanziert? Unsere Grenzen sind sehr eng gezogen, aber wir hoffen, daß dann andere Gemeinden mitmachen. Das muß anstecken. Interview: Bascha Mika
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