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Liederabend selber basteln

■ Ab heute im Monsun: „Geht's mit der Liebe erst rund...“

„Ich kann den Geist der Musik nicht anders fassen, als in Liebe“, gestand dereinst Richard Wagner. Für die Mehrzahl der Komponisten und Musikanten der uns bekannten Musikgeschichte gilt jedoch das Umgekehrte. Sie konnten den Geist der Liebe nicht anders fassen, als in Musik. Kein Thema wurde durch die Jahrhunderte ausgiebiger variiert als Liebesglück und Herzeleid.

Eine unspezifischere Ankündigung für ein Musiktheaterstück als „Über 800 Jahre Liebe in Schlagern, Arien, Minnesang, Jodlern, Belcanto, Madrigalen, Pop-Songs und Cante Jondo“ kann es folglich kaum geben. Und der erste Blick ins Programm der neuen Monsun-Produktion Geht's mit der Liebe erst rund... bestätigt alle bösen Ahnungen. „Dat Du min Leevsten büst“ (plattdeutsches Volkslied) steht da gleich über „Yesterday“. Au weia.

Christina Jänichen, Leiterin der Gesangsausbildung an der Monsun-Schule, hat das Programm musikalisch einstudiert und in bewegte Bilder gesetzt. Fünf Sängerinnen und vier Sänger tragen über knapp drei Stunden Werke von Puccini, Verdi, Schumann über Stevie Wonder bis hin zu bosnischen Volksliedern vor, sparsam begleitet von Altfrid Weber (Klavier) und Thomas Niese (Kontrabaß, Percussion). Das wirkt - entgegen erster Befürchtungen - musikalisch durchweg überzeugend. Jänichen hat nicht nur ein genaues Gefühl für Timing und Anschlüsse, sondern auch für die recht unterschiedlichen musikalischen Standards der Mitwirkenden. Beeindrucken kann vor allem der dramatische Sopran Janja Cukuranovics, die sechs Jahre an der Staatsoper von Sarajevo gesungen hat. Ebenfalls souverän der Buffo-Tenor von Nicolas Kraus, der bei Prof. Pöld in Hamburg augenscheinlich auch etwas über Bühnenpräsenz gelernt hat.

Doch ein Musiktheaterstück sollte auch etwas fürs Auge sein, und hier versagt die Inszenierung recht kläglich. Im spärlichen Jute-statt-Plastik-Bühnenbild entstehen zwar einzelne hübsche Bilder, doch meist wirken die Steine, Besen oder Packpapierrollen wie zur Beschäftigungstherapie unsicherer Protagonisten eingeführt. Schauspielerisch allein gelassen flüchten sich diese vornehmlich in pathetische Mimik - was immerhin einige Lacher in die ansonsten nicht eben humorvolle Aufführung bringt. Ein reeles Regie-Konzept ist nicht zu erkennen.

Überzeugender wäre ein schlichter Liederabend gewesen. Der gewitzte Zuschauer bastelt ihn sich selbst: zurücklehnen, Augen schließen und Ohren genußvoll auf. Christiane Kühl

Heute bis Sonntag, Monsun-Theater, 20 Uhr

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