: Rein in die Grünen – raus aus der Nato
■ betr.: „Grüne ,Westblockade ist gescheitert‘“, taz vom 25.4.94
[...] Es stimmt: „Nur in Berlin ist alles anders“ (Kommentar Matthias Geis). Nur in Berlin gibt es einen tatsächlich „gemischten“ Landesverband Bündnis 90/Grüne, während in „Neufünfland“ die ehemaligen Bündnis-90-Mitglieder und in „Westdeutschland“ die ehemaligen Grünen praktisch unter sich geblieben sind. Und da Wessis und Ossis sich hier im Zeitraffertempo zusammenraufen (müssen!), deshalb kracht es mal da und dort. Trotzdem gab es eben keine Westblockade, auch wenn sich das Schlagwort ausgezeichnet für eine taz-Schlagzeile zu eignen scheint. Denn von den insgesamt 3.000 Mitgliedern im gemeinsamen Landesverband Berlin sind 90 Prozent (!) ehemalige West-AL/ Grüne und nur zehn Prozent ehemalige Ost-Bündnisleute. Trotzdem wurde Gerd Poppe von den weit mehr als 400 Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen mit absoluter (!) Mehrheit auf Platz 2 gewählt. Viele „Westblockadler“, auch ich selbst, haben Poppe, weil er ein guter Mann ist, die Stimme gegeben. Ohne Wessis also kein Gerd Poppe im nächsten Bundestag! Blockade? Wohl eher das genaue Gegenteil.
[...] Noch ein Wort zu Quoten im allgemeinen und bündnisgrünen im besonderen. Es war schon eine große, wenn auch offensichtlich notwendige Zumutung für viele Mitglieder, die eigene Wahlfreiheit freiwillig dermaßen extrem einzuschränken, um den Quoten (1. Platz eine Frau, 2. Platz Bündnis 90, 3. Platz eine Frau, 4. Platz Bündnis 90, 5. Platz eine Frau...) gerecht zu werden. Christian Ströbele hätte danach frühestens (!) auf dem 6. (!) und damit aussichtslosen Platz kandidieren dürfen! Die Frauen verlangen – zu Recht! – jeden zweiten Platz, Bündnis 90 hat sich ebenfalls – auch zu Recht! – bei der Vereinigung jeden zweiten Platz gesichert. Zu Recht (!) wies auch ein „Deutscher ausländischer Herkunft“ darauf hin, daß Bündnis 90/Grüne auch hier noch Nachholbedarf hat. Auch die Gruppe der Behinderten hat auf aussichtsreiche Listenplätze sicherlich – zu Recht! – einen Anspruch usw. Ich halte aber das Verfahren für typisch deutsch und damit extrem bürokratisch und damit im Ergebnis für demokratiefeindlich. Nur wer sich jemals der Zumutung unterworfen hat, an einem sonnigen Sonntag innerhalb von acht Stunden gerade mal drei (!) Kandidaten in unzähligen Wahlgängen aufstellen zu müssen, der möge mir widersprechen. Denn die zu Ende gedachte Konsequenz: Für Bündnis 90/Grüne Berlin kandidieren in Zukunft ausschließlich Frauen aus dem ehemaligen Bündnis 90, die ausländischer Herkunft und außerdem noch behindert sind. Was soll ich da als „einfaches“ Mitglied noch „wählen“?
Für mich jedenfalls war es die erste und voraussichtlich auch letzte bündnisgrüne Mitgliederversammlung! [...] Jürgen Lange, Wossi, Berlin
Der Eindruck, den Dirk Wildt mit seiner „Artikelserie“ zu wecken versucht, trügt. Es gab zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd eine Mehrheit für den Versuch einzelner „Westmänner“, die Wahl von Gerd Poppe mit Verfahrenstricks zu verhindern. Die große Mehrheit der West-Grünen hat sich tatsächlich immer für eine paritätische Ost-West-Liste ausgesprochen und auf der Landesdelegiertenversammlung entsprechend mit einer Zweidrittelmehrheit abgestimmt. Richtig ist allerdings, daß eine große Anzahl von West- Grünen mit dem politischen Stil und den außenpolitischen Vorstellungen Poppes nicht einverstanden sind. Es muß doch wohl in dieser Partei möglich sein, einem Kandidaten aus inhaltlichen Gründen seine Stimme zu verweigern, ohne gleich einen „Eklat“ zu produzieren. [...] Claudio Struck,
KV Berlin-Charlottenburg von
Bündnis 90/Die Grünen
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