: Kein alternatives „Eros-Center“
■ Frauenwohnheim für Methadon-Substituierte eröffnet
Große Ängste hatten manche FindorfferInnen, als sie vom Plan eines Wohnprojekts für Frauen hörten, die mit Methadon substituiert werden: Gibt das ein „alternatives Eros-Center“, fragten sie, sollte man da nicht Regeln wie im Mädchenpensionat einführen, so mit Türabschließen um 22 Uhr? Ein solches Mädchenpensionat ist das Wohnprojekt des Vereins für akzeptierende Drogenarbeit/ Kommunale Drogenpolitik nicht geworden, Beschwerden von den NachbarInnen hat es seit dem Einzug vor sechs Wochen dennoch nicht gegeben. Gestern wurde das „Newcastle“ in der Frielinger Straße offiziell eingeweiht.
In zehn Zimmern (8-15 qm) haben zehn obdachlose Frauen ein Zuhause gefunden. Allen Frauen gemeinsam: Sie bekommen täglich in der Schmidtstraße Methadon. Die Warteliste der dort bekannten Obdachlosen sei mit dem neuen Haus erstmal abgearbeitet, sagt Heino Stöver vom Verein. Die Zimmer sind möbliert mit Schlafsofa, Schrank, Schreibtisch und Kühlschrank – die Frauen sind ohnehin nur mit Plastiktüten eingezogen. Außerdem gibt es in dem schmalen, aber hohen Haus eine Gemeinschaftsküche, zwei Bäder, ein Büro, einen kleinen Garten und eine Dachterrase.
Und ein schwarzes Brett. Da hängt der Putzplan mit der genauen Beschreibung allerlei haushälterischer Aufgaben: beispielsweise „Aschenbecher leeren und säubern“. Einen Haushalt zu führen, gar in einer Gemeinschaft zu leben, das müssen diese Frauen erst noch lernen, sagt die Sozialpädagogin Singe Krämer. Viele waren lange obdachlos, und alle sind sie Einzelkämpferinnen. Regeln jedoch werden gemeinsam beschlossen. Beigebrauch von Heroin oder anderen Drogen beispielsweise wird nicht geahndet, solange er nur auf den Zimmern stattfindet. Beigebrauch im Bad und anderen Gemeinschaftsräumen jedoch ist verboten. Genauso wie, allerdings nur in den ersten vier Wochen, Männerbesuch. Was die Frauen außerhalb tun, ob sie sich zum Beispiel prostituieren, geht uns nichts an, sagen die Pädagoginnen. Sie haben auch keine Akten über die Frauen. Was sie wissen, haben ihnen die Bewohnerinnen selbst erzählt.
Rund um die Uhr ist eine Betreuerin im Haus, trotzdem gehört das Wohnprojekt noch zur Kategorie „Übergangswohnen“ und nicht zur Kategorie „betreutes Wohnen“. Vor allem nachmittags und abends hat die Betreuerin zu tun, dann rücken die Problemberge so richtig in den Blick: die HIV-Infektion, die Schulden, die offenen Strafen, Vergewaltigungserfahrungen ... Ganz zu schweigen von den ganz praktischen Problemen: dem Abarbeiten des alten Postberges voller Mahnungen oder der Organisation einer Zahnsanierung. cis
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